Zölle statt Klarheit
So hatte man sich das nicht vorgestellt in den Chefetagen der deutschen Konsumindustrie. Eigentlich sollte der Kompromiss zwischen EU und USA die Wogen glätten.
Doch was Brüssel als Durchbruch feiert, ist für viele Unternehmen ein teures Problem: Seit Donnerstag gelten 15 Prozent Pauschalzoll auf eine breite Palette an Exportgütern – darunter Wein, Spirituosen, Kosmetik, Süßwaren, Bier in Dosen. Eine lange Liste, ein kurzer Schmerz? Im Gegenteil.
„Der Deal ist eher ein Erfolg für die US-Hersteller“, sagt Andreas Brokemper, Chef von Henkell-Freixenet, nüchtern. Für das Sektunternehmen aus Wiesbaden sind die USA der zweitgrößte Markt. Jetzt wird dort jede Flasche teurer – und schwerer zu verkaufen.
Die Rechnung geht nicht mehr auf
Die Sorge ist in der Branche allgegenwärtig. Zwar trifft der neue Zollsatz große Konzerne wie Henkel oder Beiersdorf nur am Rande – sie produzieren in den USA. Doch der Großteil der deutschen Konsumgüterhersteller ist mittelständisch geprägt, exportiert direkt. Und steht jetzt unter Druck.
Wer die Preise erhöht, verliert Kunden. Wer es nicht tut, verliert Marge. Beides führt in derselben Richtung: Es wird eng.
Ritter Sport kämpft ohnehin mit hohen Rohstoffpreisen. Lambertz-Eigentümer Hermann Bühlbecker spricht von einer Belastung von rund 23 Prozent – Zölle plus Währungsverlust durch den schwachen Dollar. „Die EU ist kein gleichberechtigter Partner mehr“, sagt er. Für ihn ist klar: Das war kein guter Deal.

Bier wird zur Rechenaufgabe
Besonders hart trifft es die Bierbranche. Bislang zollfrei, werden Dosenbiere jetzt doppelt belastet – einerseits durch den neuen Basiszoll, andererseits durch den 50-Prozent-Aufschlag auf Aluminium. Der Verband der Ausfuhrbrauereien rechnet künftig mit Zöllen in Höhe von 25 bis 30 Prozent des Warenwerts – pro Dose.
Für Bitburger, Warsteiner oder Paulaner, die in den USA stark vertreten sind, ist das eine Kampfansage. Und eine teure dazu.
Preisschock in den USA – nicht in Deutschland
Für US-Kunden wird’s spürbar teurer. Proxima-Deutschlandchef René Petri geht von Preissteigerungen zwischen fünf und zwölf Prozent aus – abhängig von Marke und Produkt. Manche Unternehmen werden die Zölle aus eigener Tasche zahlen, um Marktanteile zu halten. Andere geben die Kosten weiter.
In Deutschland dagegen wollen die Hersteller die Preise nicht erhöhen. „Die deutschen Verbraucher werden sicher nicht den Preis für den Zolldeal zahlen“, sagt Brokemper. Auch Babor und Lambertz versichern, keine Anpassungen geplant zu haben. Noch.
Wein bleibt auf dem Trockenen
Ironischer Effekt: Gerade der Weinmarkt könnte in Deutschland vorerst billiger werden. Weil US-Importe durch Zölle wegbrechen, landen viele Flaschen wieder auf dem Heimatmarkt – mit entsprechendem Preisdruck. Das Problem: Die Winzer sind ohnehin angeschlagen. Der Konsum sinkt, die Produktion ist hoch. Die Zölle kommen zur Unzeit.
Und noch ist unklar, ob für Agrarprodukte wie Wein oder Spirituosen überhaupt Ausnahmen kommen. Brüssel und Washington verhandeln. Es könnte Herbst werden, vielleicht Winter. Die EU-Kommission spricht von „Zero-for-Zero-Zöllen“. Viel Konjunktiv, wenig Konkretes.
Wer verliert, wer hofft
Die Liste der Verlierer ist lang. Hersteller wie Mast-Jägermeister, die schon 2019 unter Trumps ersten Strafzöllen litten, haben ihre Lektion gelernt – und ihre Lager in den USA gefüllt. Doch das ist keine Dauerlösung. Auch Babor versucht, durch margenstarke Produkte gegenzuhalten. Das klappt – ein bisschen.
Andere, wie Lambertz, wissen nicht, wie lange sie den Druck aushalten. „Ein Transfer der Kosten nach Deutschland kommt für uns nicht infrage“, sagt Bühlbecker. Das klingt ehrenwert – aber auch nach Risiko.
Und jetzt?
Viele Hersteller suchen neue Absatzmärkte. Asien, Lateinamerika, Nahost. Aber niemand ersetzt den US-Markt. Nicht in dieser Größenordnung. Nicht so schnell.
Der Zollkompromiss ist also kein Ende des Streits, sondern eher der Beginn einer neuen Unsicherheit. Und die Zeit arbeitet gegen die deutschen Hersteller. Die USA verteuern den Handel, die EU verzichtet auf Gegenzölle. Die Hoffnung liegt auf Gesprächen – und auf einer Politik, die mehr ist als ein Krisenmanagement im Rückwärtsgang.
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