30. Juni, 2025

Unternehmen

Zalando schluckt About You – und jagt damit Temu und Shein

Fusion der Gegensätze: Zalando übernimmt About You für über eine Milliarde Euro – aber was bringt der Deal wirklich? Die EU zögert noch, Scayle wird zur Schlüsselfrage, und am Ende geht es um viel mehr als Mode.

Zalando schluckt About You – und jagt damit Temu und Shein
Hinter der demonstrativen Harmonie steht ein Milliarden-Deal mit Sprengkraft – noch fehlt die EU-Freigabe, die Integration birgt erhebliche kulturelle Risiken.

Sie wollten nie Konkurrenten sein – und wurden es trotzdem. Jetzt, nach über einem Jahrzehnt der Rivalität, hat Zalando den Hamburger Modehändler About You für rund 1,13 Milliarden Euro übernommen.

Während Zalando-CEO David Schröder auf der Branchenkonferenz K5 in Berlin die letzten Hürden beschreibt, steht die eigentliche Frage längst im Raum: Was verspricht sich der Dax-Konzern wirklich von der Übernahme – und was bedeutet das für die europäische E-Commerce-Landschaft?

Mehr als nur Mode: Warum Zalando nicht About You kauft, sondern Scayle

Offiziell ist das Closing noch nicht vollzogen. Die Zustimmung der BaFin liegt vor, auf das grüne Licht der EU-Kommission warten Schröder und sein Team „im Laufe des Sommers“.

Doch Zalando hat sich bereits über 90 Prozent der Aktien gesichert – ein technisches Detail vor dem endgültigen Vollzug. In Wahrheit aber ist es kein klassischer Kauf eines Modekonkurrenten – sondern der Zugriff auf eine mächtige IT-Infrastruktur: Scayle.

Die SaaS-Plattform, die About You 2023 ausgegründet hat, schreibt bereits schwarze Zahlen. 25 Millionen Euro EBITDA bei 47 Millionen Euro Umsatz im ersten Jahr – das ist in der Welt des Plattformgeschäfts mehr als nur ein Fingerzeig.

Für Zalando ist About You vor allem eine Tech-Übernahme
Mit der Übernahme von About You kauft Zalando einen Wettbewerber vom Markt. Da hätte es allerdings erheblich größere und günstigere gegeben. Letztlich ist About You für Zalando vor allem eine Techü…

Und mehr, als Zalando mit seinem eigenen Shopsystem Zeos derzeit vorweisen kann. Dass Scayle für den Deal entscheidend war, bestreitet niemand ernsthaft – auch wenn About-You-Mitgründer Tarek Müller es bei einem vielsagenden „Keine Ahnung, aber die Frage stellt sich nicht“ belässt.

Ein deutscher Milliarden-Deal – mit asiatischem Schatten

Offiziell geht es bei der Fusion nicht um eine Reaktion auf die chinesischen Billiganbieter Temu und Shein. Doch unter der Oberfläche wirkt die Realität anders.

Der Wettbewerb aus Fernost operiert mit aggressiven Margen, datengetriebenem Echtzeit-Produktmanagement und niedrigen Produktionskosten. Wer hier mithalten will, braucht nicht nur eine Marke – sondern Infrastruktur.

Scayle bietet Zalando genau das: eine skalierbare, markenunabhängige Commerce-Plattform, die für Dritte geöffnet ist und Wachstumsoptionen jenseits des eigenen Katalogs erlaubt.

Ob das reicht, um Temu und Shein etwas entgegenzusetzen, bleibt offen. Doch eines ist klar: In einer Welt, in der Logistik und Technologie wichtiger werden als Design und Kampagnen, verschiebt sich das Spiel.

David Schröder und Tarek Müller: Vom Feindbild zum Dreamteam?

Während Schröder mit seinem nüchternen Stil („weißes T-Shirt“) für Stabilität und Planung steht, verkörpert Müller den kreativen Unternehmergeist der Digitalbranche.

Mit 47 Mio. € Umsatz und 25 Mio. € EBITDA ist About Yous Shop-Tech-Tochter profitabler als Zalandos Eigenlösung Zeos – der wahre Kaufgrund liegt im Backend, nicht im Kleiderschrank.

Die beiden Manager geben sich betont harmonisch – Yin und Yang nennt man das auf der Bühne der Handelskonferenz. Doch die große Unbekannte bleibt: Wie viel operative Autonomie bleibt About You nach dem vollständigen Zusammenschluss? Wann verschmelzen Teams, Systeme, Unternehmenskulturen?

Bisher arbeiten die beiden Unternehmen noch strikt getrennt – gesetzlich vorgeschrieben. Doch die Verzahnung wird kommen, und mit ihr auch die Machtfrage.

Wer setzt sich bei strategischen Weichenstellungen durch? Zalando wird darauf achten, den innovativen Charakter von About You nicht zu ersticken – und gleichzeitig Synergien aus dem Zusammenschluss zu heben. Ein Balanceakt.

Und die Investoren?

Der Kaufpreis von 6,50 Euro je Aktie dürfte vor allem die Altaktionäre der Otto-Gruppe gefreut haben, die einen Großteil der Anteile hielten. Sie sichern sich damit einen Exit aus einem verlustreichen Geschäft – und übertragen die Zukunft an den Berliner Rivalen.

Dass Schröder dabei betont, auch für künftige Investitionen dieser Größenordnung offen zu sein, zeigt: Zalando ist auf Expansionskurs. Aber nicht auf Einkaufstour. Man sucht nicht weitere Modeplattformen – sondern Assets, die über E-Commerce hinausgehen. Scayle ist der Prototyp.

Fusion mit Fallhöhe

Die Fusion von Zalando und About You ist ein Signal an den Markt: Europäische Unternehmen können (noch) eigene Antworten auf die Disruption aus China entwickeln. Doch der Zusammenschluss birgt auch Risiken: kulturell, strategisch, technologisch.

Ob der Milliarden-Deal zum Wendepunkt für Europas Modehandel wird oder zum Integrationstrauma – das entscheidet sich nicht auf der Bühne in Berlin, sondern in den Backend-Systemen, Datenpipelines und KPI-Dashboards der kommenden Quartale.

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