Politischer Druck kehrt zurück
Neun US-Abgeordnete haben das Verteidigungsministerium aufgefordert, Xiaomi erneut als angeblichen chinesischen Militärverbündeten einzustufen. Konkret geht es um eine mögliche Aufnahme auf die sogenannte Section-1260H-Liste, die Unternehmen mit mutmaßlichen Verbindungen zum chinesischen Militär aufführt.
Xiaomi weist die Vorwürfe zurück. Das Unternehmen betont, ausschließlich zivile Konsumgüter zu entwickeln und keinerlei militärische Aufträge auszuführen. Die Argumentation ist nicht neu, aber juristisch erprobt: Bereits 2021 hatte sich Xiaomi erfolgreich gegen eine ähnliche Einstufung gewehrt. Ein US-Gericht hob die damalige Entscheidung auf, woraufhin die Aktie rasch Boden gutmachte.
Der Markt reagiert dennoch sensibel. Die Erinnerung an frühere Blacklist-Fälle chinesischer Tech-Konzerne sitzt tief. Auch wenn die 1260H-Liste keine direkten Handelsverbote oder Chip-Sanktionen nach sich zieht, gilt sie als politisches Warnsignal. Sie kann institutionelle Investoren abschrecken und die Bewertung belasten, lange bevor konkrete Maßnahmen folgen.
Die operative Realität spricht eine andere Sprache
Zeitgleich sendet Xiaomi betont wirtschaftliche Signale. Mit dem neuen Xiaomi 17 Ultra zielt der Konzern klar auf das Premium-Segment. Ausgestattet mit dem neuesten Snapdragon-8-Elite-Gen-5-Prozessor und einer weiterentwickelten Leica-Kamera positioniert sich das Gerät bewusst oberhalb früherer Modelle. Der um rund sieben Prozent erhöhte Einstiegspreis von 6.999 Yuan ist mehr als eine Randnotiz. Er deutet darauf hin, dass Xiaomi sich zutraut, höhere Kosten an die Kunden weiterzugeben.

Für einen Hersteller, der lange als aggressiver Preisbrecher galt, ist das eine strategische Verschiebung. Xiaomi versucht, sich schrittweise aus der Margenfalle des Massenmarkts zu lösen und stärker in profitablere Segmente vorzudringen. Gelingt das, würde sich die Abhängigkeit von Stückzahlen verringern und die Ertragsqualität verbessern.
Die Markteinführung fällt in eine Phase, in der sich der globale Smartphone-Markt stabilisiert. Nach zwei schwachen Jahren ziehen die Absätze in einigen Regionen wieder an. Premiumgeräte sind davon überdurchschnittlich betroffen. Genau hier will Xiaomi angreifen.
Aktienrückkäufe als Vertrauenssignal
Parallel dazu greift das Management selbst zum Instrument der Kurspflege. An den beiden letzten Handelstagen vor Weihnachten kaufte Xiaomi jeweils rund 3,8 Millionen eigene Aktien zurück. Rückkäufe sind in China kein Selbstläufer. Sie werden von Investoren genau beobachtet, weil sie als klares Signal interpretiert werden: Das Management hält die eigene Aktie für unterbewertet.
In einem Umfeld politischer Unsicherheit ist das kein Zufall. Rückkäufe reduzieren das Angebot an frei handelbaren Aktien und können kurzfristige Ausschläge dämpfen. Vor allem aber senden sie eine Botschaft an institutionelle Anleger: Der Konzern rechnet nicht mit strukturellen Einschränkungen seines Geschäftsmodells.
Analysten bleiben gespalten
Die Einschätzungen der Analysten spiegeln diese Ambivalenz wider. Bernstein hält an einer Kaufempfehlung fest und verweist auf Xiaomis starke Position im asiatischen Markt sowie die zunehmende Diversifizierung in Bereiche wie Wearables und vernetzte Geräte. Jefferies hingegen hat die Aktie zuletzt auf Halten abgestuft und verweist explizit auf das politische Risiko.
Entscheidend ist die Unterscheidung der Listen. Die viel gefürchtete Entity List des US-Handelsministeriums würde den Zugang zu US-Technologie massiv einschränken. Die 1260H-Liste ist davon zu unterscheiden. Sie signalisiert politischen Missmut, führt aber nicht automatisch zu Lieferstopps oder Chip-Embargos. Für Xiaomi ist das ein wichtiger Unterschied, für die Börse jedoch oft nur eine Nuance.

Der Markt sucht Orientierung
Kurzfristig richtet sich der Blick der Anleger auf zwei Termine. Zum einen auf den offiziellen Verkaufsstart des 17 Ultra, der zeigen wird, ob die höhere Preissetzung im Markt akzeptiert wird. Zum anderen auf die Reaktion des Pentagons. Sollte der Vorstoß der Abgeordneten im politischen Prozess versanden, dürfte das Thema schnell an Relevanz verlieren.
Bleibt die Debatte hingegen auf der Agenda, könnte sie wie ein permanenter Bewertungsabschlag wirken. Die Aktie müsste dann dauerhaft mit einem geopolitischen Risikoaufschlag leben, selbst wenn sich operativ wenig ändert.
Xiaomi steht damit exemplarisch für das Dilemma vieler chinesischer Tech-Konzerne. Wirtschaftlich liefern sie, politisch bleiben sie angreifbar. Für Anleger ist das keine Frage von Schwarz oder Weiß, sondern von Gewichtung. Wie viel Politik steckt im Kurs, wie viel Geschäft? Die Antwort darauf entscheidet, ob Rücksetzer als Risiko oder als Einstiegschance gesehen werden.

