Xiaomi nutzt den ersten Weihnachtstag für einen strategisch heiklen Moment. Am 25. Dezember bringt der Konzern sein neues Topmodell auf den Markt – und erhöht gleichzeitig die Preise deutlich. Der Grund liegt nicht im Marketing, sondern in der Lieferkette. Eine anhaltende globale Chipknappheit zwingt den chinesischen Technologiekonzern, höhere Kosten weiterzugeben. Für Investoren ist das mehr als eine Produktmeldung. Es ist ein Test, wie belastbar Xiaomis Premium-Strategie tatsächlich ist.
Chipmangel verschiebt die Kalkulation
Der Auslöser ist strukturell. Der Boom rund um Künstliche Intelligenz bindet Produktionskapazitäten bei Speicherchips zunehmend im Hochleistungsbereich. Rechenzentren und KI-Server verdrängen klassische Konsumelektronik aus den Fabriken. Für Smartphone-Hersteller steigen damit die Einkaufspreise spürbar.

Xiaomi-Präsident Lu Weibing spricht offen von einer „nicht geringfügigen“ Preisanpassung. Interne Prognosen gehen davon aus, dass der Engpass bis mindestens 2027 anhalten wird. Branchenkreise erwarten für das neue Modell einen Einstiegspreis von rund 6.999 Yuan, umgerechnet knapp 1.000 US-Dollar. Das wäre ein klarer Sprung gegenüber dem Vorgänger.
Xiaomi steht damit nicht allein. Wettbewerber wie Oppo und Vivo haben ihre Preise bereits angezogen. Der Unterschied: Xiaomi positioniert sich inzwischen selbstbewusst im oberen Preissegment – mit allen Risiken, die das mit sich bringt.
Premium-Technik als Rechtfertigung
Um die höheren Preise zu erklären, setzt Xiaomi auf maximale technische Aufrüstung. Das neue Flaggschiff vertieft die Kooperation mit Leica, verbaut den Snapdragon-8-Elite-Gen-5-Prozessor von Qualcomm und kombiniert ihn mit einem 1-Zoll-Bildsensor von OmniVision.
Die Botschaft ist klar: Xiaomi will nicht mehr über den Preis verkaufen, sondern über Technik, Kameraqualität und Markenwahrnehmung. Diese „Flucht nach vorne“ ist notwendig, um die Margen in einem Umfeld steigender Komponentenpreise zu verteidigen.
Der Aktienkurs bleibt skeptisch
An der Börse kommt diese Strategie bislang nur verhalten an. Die Aktie notiert aktuell um 4,40 Euro und damit rund 38 Prozent unter dem im Frühjahr erreichten Jahreshoch. Zwar legte der Titel 2025 leicht zu, doch die Bewertung spiegelt Zweifel wider, ob Xiaomi die Preiserhöhungen ohne Volumenverluste durchsetzen kann.
Der Markt reagiert sensibel, weil Smartphones nach wie vor das Kerngeschäft des Konzerns sind. Ein Rückgang der Stückzahlen würde schneller auf die Marge durchschlagen als in reiferen Premiumsegmenten wie bei Apple oder Samsung.

Fundamentale Zahlen sprechen für Stabilität
Gleichzeitig operiert Xiaomi aus einer deutlich stärkeren Position als noch vor wenigen Jahren. Die Zahlen für das dritte Quartal 2025 zeigen ein robustes Bild. Der Umsatz stieg um mehr als 22 Prozent, der bereinigte Nettogewinn sprang um knapp 81 Prozent nach oben.
Besonders bemerkenswert ist die Entwicklung außerhalb des Smartphone-Geschäfts. Die Elektrofahrzeugsparte des Konzerns erreichte erstmals die operative Gewinnzone und steuerte rund 700 Millionen Yuan zum Ergebnis bei. Damit wird ein Bereich profitabel, der lange als kostspielige Wette galt.
Diese Fortschritte haben auch die Ratingagenturen registriert. Anfang Dezember stufte Fitch Xiaomi auf „BBB+“ hoch. Die verbesserte Bonität verschafft dem Unternehmen finanziellen Spielraum, um Preisschwankungen in der Lieferkette besser abzufedern.
Weihnachten als Belastungstest
Der Marktstart am 25. Dezember wird zum ersten realen Test für Xiaomis neue Preispolitik. Akzeptieren die Kunden den höheren Einstiegspreis, stärkt das die These, dass sich die Marke dauerhaft im Premiumsegment etablieren kann. Bleibt die Nachfrage hinter den Erwartungen zurück, droht ein Rückschlag – nicht nur beim Absatz, sondern auch beim Vertrauen der Investoren.
Für Anleger ist das Bild gemischt. Kurzfristig erhöht der Chipmangel den Druck. Mittel- bis langfristig spricht jedoch vieles für ein robusteres Geschäftsmodell als früher. Xiaomi ist längst mehr als ein Smartphone-Hersteller. Die Frage ist nicht, ob die Preise steigen. Sondern ob die Kunden bereit sind, sie zu zahlen.



