22. Juni, 2025

Unternehmen

Wurstkönig will noch mehr – droht jetzt ein Monopol auf dem Fleischmarkt?

Tönnies-Mutter plant Mehrheit an „The Family Butchers“ – der nächste große Deal im deutschen Wurstmarkt. Doch nach dem Verbot der Vion-Übernahme könnte das Kartellamt wieder dazwischenfunken.

Wurstkönig will noch mehr – droht jetzt ein Monopol auf dem Fleischmarkt?
Tönnies baut seine Macht aus: Mit der geplanten Übernahme von The Family Butchers kontrolliert der Konzern künftig große Teile der deutschen Wurstproduktion – ein Fall für das Kartellamt.

Marktkonzentration in XXL-Packung

Der deutsche Wurstmarkt steht vor einer tektonischen Verschiebung – wieder einmal. Mit der geplanten Übernahme des Branchenzweiten The Family Butchers (TFB) durch die Premium Food Group, Mutterkonzern von Tönnies, will der Marktführer seine ohnehin dominante Stellung noch weiter ausbauen.

Ein Deal, der wirtschaftlich nachvollziehbar, regulatorisch aber hochbrisant ist. Erst vor wenigen Tagen hatte das Bundeskartellamt dem Fleischriesen Tönnies untersagt, Rinderschlachthöfe des niederländischen Vion-Konzerns zu übernehmen. Begründung: übermäßige Marktmacht. Und nun der nächste Anlauf – diesmal bei der Wurst.

Ein angeschlagener Riese sucht Schutz

The Family Butchers, hervorgegangen aus dem Zusammenschluss von Reinert und Kemper, zählt mit rund 700 Millionen Euro Umsatz, sieben Werken und der bekannten Marke Bärchenwurst zu den Schwergewichten der Branche.

och wirtschaftlich steckt das Familienunternehmen tief in der Krise. Die Nachfrage nach Wurst sinkt, die Preise für Rohstoffe steigen, der Preisdruck durch den Lebensmitteleinzelhandel ist ruinös. Schon 2023 hatte Mitgründer Wolfgang Kühnl drastisch formuliert:

„In zehn Jahren dürfte der Wurstmarkt um ein Drittel geschrumpft sein.“

Jetzt ist klar: Das Schrumpfen hat längst begonnen – und TFB ist eines der ersten Opfer.

Tönnies baut seine Macht systematisch aus

Die Zur-Mühlen-Gruppe – Tönnies‘ Tochter im Bereich Wurst – hat in den vergangenen Jahren auffällig systematisch zugekauft: Nölke, Lutz, Zimbo, Ahlener Fleischhandel – allesamt traditionsreiche Anbieter, die unter dem Preisdruck in die Knie gegangen sind.

Inzwischen kommen rund 40 % des Wurstvolumens im deutschen LEH (Lebensmitteleinzelhandel) direkt oder indirekt aus dem Hause Tönnies. Mit dem TFB-Deal würde sich der Marktanteil noch einmal deutlich erhöhen.

Das Problem: Je größer die Marktkonzentration, desto geringer der Wettbewerb – und desto schwieriger für kleinere Anbieter, sich zu behaupten.

Die Bärchenwurst wankt: The Family Butchers steckt tief in der Krise – sinkende Nachfrage, steigende Kosten und aggressive Preiskämpfe bringen den Traditionsbetrieb an die Belastungsgrenze.

Kartellrechtlich ein Pulverfass

Die Übernahme von TFB steht unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Bundeskartellamts. Doch das dürfte genau hinschauen – nicht nur wegen des jüngst untersagten Vion-Deals.

Auch die Argumentation ist ähnlich: Tönnies dominiert nicht nur beim Schlachten, sondern kontrolliert zunehmend auch die Verarbeitung und Vermarktung – ein klassisches Beispiel für vertikale Integration mit potenziell marktverzerrender Wirkung.

Besonders brisant: TFB war bislang ein unabhängiger Großabnehmer von Fleisch – fällt dieses Volumen nun an die Tönnies-Gruppe zurück, verschärft sich die Abhängigkeit der Lieferketten weiter.

Rollenwechsel im Veggie-Zeitalter

Während Tönnies den traditionellen Fleischmarkt konsolidiert, orientieren sich andere Akteure um. Der TFB-Gesellschafter Hans-Ewald Reinert etwa verkauft seine Anteile bewusst, um sich ganz auf die Veggie-Marke Billie Green zu konzentrieren.

Mit The Plantly Butchers verfolgt Reinert eine klare Strategie: raus aus der klassischen Wurst, rein in den Zukunftsmarkt der pflanzlichen Alternativen. Ironie des Ganzen: Während der eine Gesellschafter auf pflanzliches Wachstum setzt, sucht der andere in der Konsolidierung die Rettung.

Prekäre Lage in der gesamten Branche

Die Probleme sind systemisch. Branchenexperten wie Klaus-Martin Fischer (RSM Ebner Stolz) sehen die Lage seit Jahren kritisch: Produktionskosten steigen, die Konsumlust sinkt, viele mittelständische Betriebe haben ihre Rücklagen aufgebraucht.

Ein Drittel des Marktes könnte in den nächsten Jahren verschwinden – durch Insolvenz, Übernahme oder Aufgabe. Der Deal zwischen Premium Food Group und TFB ist also kein Einzelfall, sondern Symptom einer Branche im Strukturwandel.

Mehr als nur ein Unternehmensdeal

Was auf den ersten Blick wie ein logischer Schritt zur Rettung eines Traditionsunternehmens wirkt, könnte am Ende zum Lackmustest für die Wettbewerbsaufsicht werden.

Lässt das Kartellamt diesen Deal zu, sendet es ein Signal an die gesamte Fleischwirtschaft: Marktkonzentration ist nicht nur erlaubt, sondern gewollt – zumindest, solange es ums Überleben geht. Doch was bedeutet das für Preise, Vielfalt und Wettbewerb?

Die nächsten Wochen dürften zeigen, ob Deutschland am Ende einen Wurstmarkt will, in dem einer den Ton angibt – oder ob Vielfalt nicht doch politisch gewollt bleibt.

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