Marktbewertungen setzen den Rahmen
Worthington Steel tastet sich an ein mögliches Übernahmeangebot für Klöckner & Co heran – ein Schritt, der vor wenigen Jahren noch unwahrscheinlich schien. Doch die Verschiebungen im globalen Stahlgeschäft haben ein Umfeld geschaffen, in dem selbst mittelgroße Player zu begehrten Bausteinen werden. Klöckner bringt eine Marktkapitalisierung von rund 605 Millionen Euro mit, ein im Vergleich zu 2022 stark reduzierter Wert, aber strategisch gut platzierter Zugang zu Kunden und Standorten in Europa und den USA.
Worthington lässt prüfen, ob dieser Zugang den Preis rechtfertigt. Das US-Unternehmen betont, keine Entscheidung getroffen zu haben, doch die laufende Due-Diligence zeigt, dass der Vorgang längst über ein unverbindliches Interesse hinausgeht. Für den SDax-Konzern Klöckner ist allein die Bestätigung der Gespräche ein Signal: Der Umbau des Geschäftsmodells beginnt Wirkung zu zeigen.
Zwei Geschäftsmodelle treffen sich auf halbem Weg
Worthington und Klöckner stehen in verwandten Segmenten, verfolgen aber ähnlich gelagerte Strategien. Beide verarbeiten Metall weiter, beide verdienen dort Geld, wo klassische Stahlhändler nur durchreichen. Die Margen entstehen im Zuschnitt, in vorbereitenden Bearbeitungsschritten, in integrierten Servicepaketen für Industriekunden.
Worthington hat dieses Modell verinnerlicht. 1955 gegründet, mit Hauptsitz in Columbus, betreibt der Konzern 37 Standorte, größtenteils in den USA. Knapp 6.000 Mitarbeitende erwirtschafteten im abgelaufenen Geschäftsjahr einen Umsatz von 3,8 Milliarden Dollar. Die Strategie ist nüchtern: Zukäufe nur dann, wenn sie unmittelbar zu höheren Margen beitragen. Ein europäischer Anbieter mit erheblichem Nordamerika-Anteil passt in diese Logik.
Klöckner wiederum ist längst kein Stahlhändler alter Prägung mehr. Seit 2021 hat Vorstandschef Guido Kerkhoff das Geschäft systematisch in Richtung Metallverarbeitung verschoben. Der Konzern setzt stärker auf kundenspezifische Vorprodukte, digitale Bestellstrecken und effizientere Logistik. Diese Ausrichtung mildert zyklische Schwankungen – und macht den Konzern für potenzielle Käufer berechenbarer.
Der Preis orientiert sich an der Zukunft, nicht am Chart
Die Klöckner-Aktie hat seit Ende 2024 rund ein Drittel Boden gutgemacht. Das reicht kaum, um den Absturz seit 2022 auszugleichen, aber es verändert die Verhandlungsposition. Der Markt preist nicht mehr nur Überkapazitäten und niedrige Stahlpreise ein, sondern auch die Aussicht auf steigende operative Ergebnisse.
2024 brachte Klöckner trotz höheren Absatzes geringere Erlöse – ein unmittelbarer Effekt fallender Stahlpreise. Das operative Ergebnis gab ebenfalls nach. Für 2025 erwartet das Unternehmen jedoch steigenden Absatz, höhere Umsätze und ein deutlich verbessertes operatives Ergebnis.
Genau dieser Ausblick bestimmt die Bewertung. Wenn Kerkhoffs Umbau weiter greift, steigt der Wert des Unternehmens schneller, als ein Bieter bereit ist zu zahlen. Für Worthington bedeutet das: Wer Klöckner will, muss eher früher als später handeln.
Die internationale Dimension verschiebt die Gewichte
Eine Übernahme hätte Folgen, die über beide Unternehmen hinausreichen. In Europa sind Stahl- und Metallverarbeiter seit Jahren mit Kostendruck, Energiepreisen und einer fragmentierten Nachfrage konfrontiert. Ein neuer, kapitalstarker Eigentümer aus den USA könnte die Wettbewerbslandschaft verschieben – durch Investitionen, durch Effizienzprogramme oder durch stärkere Vernetzung transatlantischer Lieferketten.
Für Worthington wäre der Schritt ein Brückenschlag nach Europa. Für Klöckner eine Chance, Wachstumsinitiativen zu beschleunigen, die unter alleiniger SDax-Logik schwerer durchzusetzen wären. Gleichzeitig bleibt die politische Komponente: Stahl gilt als strategisches Produkt. Eine ausländische Übernahme würde in Berlin und Brüssel genau beobachtet.
Investoren rechnen mit mehreren Szenarien
Die Börse reagiert bislang abwartend, aber nicht misstrauisch. Die gemischte Kursentwicklung der vergangenen Jahre lässt Raum für Spekulationen, ohne die Erwartungen zu überhitzen. Entscheidend wird sein, ob Worthington ein verbindliches Angebot formuliert – und zu welchem Preis.

Ein niedriges Angebot hätte kaum Aussicht auf Erfolg. Ein hohes Angebot müsste erklären, wie die Synergien finanziert und umgesetzt werden sollen. Dazwischen liegt ein Bereich, der für beide Seiten sinnvoll wäre, aber nur dann, wenn die Due-Diligence keine strukturellen Hürden aufdeckt.
Der Ausgang hängt an der Glaubwürdigkeit der Strategie
Der mögliche Deal macht sichtbar, wie stark sich das Geschäft der Metallverarbeitung verändert hat. Wer heute bestehen will, braucht Technologie, Prozesskompetenz und eine klare Position im Markt. Klöckner hat diese Richtung eingeschlagen. Worthington prüft, ob sich daraus ein transatlantisches Geschäftsmodell formen lässt.
Noch ist offen, ob das Gespräch zu einem Übernahmeangebot führt. Doch die Tatsache, dass ein US-Konzern mit dieser Größenordnung über einen Einstieg nachdenkt, zeigt vor allem eines: Klöckners Umbau beginnt, seinen eigenen Wert neu zu definieren.


