Wahl zwischen Polarisierung und Stillstand
In den Niederlanden herrscht politische Spannung wie selten zuvor. Der rechtspopulistische Geert Wilders, Chef der Partei für die Freiheit (PVV), liegt in den letzten Umfragen knapp vorn – aber weit entfernt von früheren Triumphen. Nur 26 von 150 Sitzen traut ihm das Institut Ipsos I&O aktuell zu, elf weniger als noch 2023.
Der grün-linke Zusammenschluss GroenLinks-PvdA um den früheren EU-Vizepräsidenten Frans Timmermans folgt dicht dahinter mit 23 Sitzen. Auch die liberal-progressive D66 (22 Sitze) und die Christdemokraten (CDA) (20 Sitze) holen kräftig auf.
Die Folge: Ein zersplittertes Parlament mit bis zu 16 Parteien, das jede Regierungsbildung zum Puzzle macht. Eine klare Mehrheit ist nicht in Sicht – und ein Premier Wilders bleibt politisch unwahrscheinlich.
Vom Triumph zur politischen Sackgasse
Noch vor zwei Jahren galt Wilders als Sieger, als er mit der PVV erstmals Teil einer Regierungskoalition wurde. Doch das Bündnis aus PVV, VVD, NSC und der Bauern-Bürger-Bewegung (BBB) zerbrach nach nur einem Jahr – an Wilders’ Forderung nach einem härteren Asylkurs.
„Wir wollten klare Grenzen ziehen – andere wollten gar keine“, erklärte er damals trotzig. Die Koalition zerfiel, Minister traten zurück, und der parteilose Verwaltungsprofi Dick Schoof übernahm übergangsweise die Regierungsgeschäfte.
Seitdem ist Wilders politisch isoliert. Die großen Parteien – von den Christdemokraten bis zur VVD – haben jede Zusammenarbeit ausgeschlossen. Selbst wenn seine PVV stärkste Kraft wird, bleibt der Weg ins Kabinett versperrt.
Migration als Dauerbrenner
Wie schon 2023 dominiert das Thema Zuwanderung den Wahlkampf. Wilders fordert erneut einen „totalen Stopp“ für Asylbewerber und schürt damit Ängste, die in vielen niederländischen Gemeinden längst brodeln. In mehreren Städten kam es in den vergangenen Monaten zu Protesten gegen neue Asylzentren, teils mit Gewalt.
Während Wilders auf Abschottung setzt, versuchen andere Parteien, den Spagat zwischen humanitärer Verantwortung und gesellschaftlicher Akzeptanz zu finden. Doch klare Lösungen bleiben Mangelware – das Thema polarisiert wie kaum ein anderes.
Die Rückkehr der Etablierten
Interessant ist der Aufstieg der CDA und der D66, die beide vom Regierungschaos profitiert haben. D66, lange abgeschrieben, punktet mit einem sozialliberalen Programm und modernem Ton, während die CDA als konservative Mitte wieder Zuspruch erhält.
Die ehemals dominante VVD, Partei des früheren Premiers Mark Rutte, stürzt dagegen ab – von 24 auf 16 Sitze. Und die NSC, einst Hoffnungsträger für eine neue politische Kultur, droht ganz aus dem Parlament zu fliegen.
Das zeigt: Der niederländische Wähler sucht Stabilität – und bestraft jene, die sie nicht liefern konnten.
Für Europa ist der Ausgang der Wahl mehr als nur ein nationales Ereignis. Die Niederlande, Gründungsmitglied der EU, sind ein wirtschaftliches Schwergewicht in der Eurozone. Eine monatelange Regierungsbildung oder gar ein Scheitern derselben könnte Brüssel schwächen – gerade in Zeiten, in denen Rechtspopulisten europaweit Aufwind haben.
Wilders’ EU-Skepsis, seine Nähe zu Viktor Orbán und seine scharfe Islamrhetorik machen ihn für viele zur Belastung, nicht zum Partner. Doch seine Wählerbasis bleibt stark: enttäuschte Mittelschicht, ländliche Regionen, Globalisierungsverlierer.

Ein Land sucht Richtung
Egal, wer am Mittwoch gewinnt – regieren wird schwierig. Die Niederlande stehen vor einem Dilemma: zwischen Wunsch nach Veränderung und Angst vor Instabilität.
Wilders’ Popularität zeigt, wie tief das Vertrauen in traditionelle Parteien gesunken ist. Doch ohne Koalitionspartner bleibt ihm nur die Zuschauerrolle.
Der Wahlabend dürfte also weniger einen Sieger hervorbringen als eine Erkenntnis: Die niederländische Demokratie wird auf eine neue Belastungsprobe gestellt – und mit ihr das europäische Projekt.


