25. Juni, 2025

Unternehmen

Wie Webasto um die eigene Zukunft ringt

Der Autozulieferer Webasto steht unter massivem Druck: Handelskonflikte, Kapitallücken und ein erzwungener Eigentümerwechsel belasten das Traditionsunternehmen. Nun soll ein externer Treuhänder das Ruder übernehmen – doch der Preis für Stabilität ist hoch, und die Uhr tickt.

Wie Webasto um die eigene Zukunft ringt
Trump verschärft den Ton gegen europäische Autozulieferer – Webasto droht in Nordamerika eine Mehrbelastung durch US-Strafzölle, obwohl der Konzern lokal produziert.

Eigentümer raus, Banken rein

Das bayerische Familienunternehmen Webasto zieht die Reißleine. Nach monatelangen Verhandlungen steht eine weitreichende Lösung im Raum: Die Eigentümerfamilien sollen ihre Anteile in eine Treuhandstruktur überführen, um im Gegenzug bis zu 200 Millionen Euro frisches Kapital von finanzierenden Banken zu erhalten. Der Deal soll noch im ersten Halbjahr vollzogen werden – denn der Druck ist enorm.

Ende Mai läuft eine Vereinbarung mit den Gläubigern aus. Ohne frisches Geld und formellen Strukturwandel wäre ein geordneter Turnaround kaum mehr möglich. Die Banken geben sich kompromissbereit – aber nur, wenn sie faktisch das Steuer übernehmen dürfen. Die Kapitalmacht wechselt – vorerst – von Lippstadt nach Frankfurt.

Familiendynastie im Rückwärtsgang

Die Maßnahme kommt einem Tabubruch gleich. Webasto war jahrzehntelang eines der wenigen großen deutschen Automobilzuliefererhäuser in Familienbesitz.

Die Nachfahren des Firmengründers Wilhelm Baier, die Familien Baier und Mey, verlieren nun de facto ihre Kontrolle. Ob und in welcher Form sie nach Abschluss der Restrukturierung zurückkehren, ist völlig offen.

Ursprünglich hatte man intern überlegt, den Kapitalbedarf selbst zu stemmen – gemeinsam mit Co-Investoren. Doch die Umsetzung scheiterte offenbar an der Höhe der benötigten Mittel und dem Zeitdruck. Nun diktiert das Gläubigerkonsortium die Spielregeln – und die Konzernstruktur wird zur Sanierungsmasse.

Handelskrieg 2.0 – diesmal trifft’s auch Webasto

Lange konnte sich Webasto mit seiner dezentralen Produktionsstrategie von politischen Handelsrisiken abschirmen. Doch jetzt ändern sich die Vorzeichen. US-Präsident Donald Trump hat angekündigt, die Zölle auf diverse Auto- und Zulieferprodukte drastisch zu erhöhen – auch auf Importe aus Deutschland.

Für Webasto ist das hochproblematisch. Nordamerika ist ein Schlüsselmarkt – und bislang profitierte der Konzern davon, lokal zu produzieren.

Die Eigentümerfamilien Baier und Mey geben ihre Anteile in eine Treuhand – erstmals verliert Webasto die direkte Kontrolle über das Unternehmen, um bis zu 200 Mio. Euro Finanzierung zu sichern.

Doch Vorprodukte, Elektronikkomponenten und Spezialmaterialien werden nach wie vor importiert – und geraten jetzt in die Zollspirale. Interne Taskforces sollen das Ausmaß analysieren, aber erste Einschätzungen deuten auf zweistellige Millionenbelastungen.

Restrukturierung mit offenem Ausgang

Der neue Chief Restructuring Officer Johann Stohner und der im März eingesetzte Vorstand setzen auf einen langfristigen Sanierungsplan. Das Ziel: Bis 2028 soll der Turnaround vollzogen, die Kapitalstruktur stabilisiert und das Geschäftsmodell robuster aufgestellt sein. Erste Fortschritte sind erkennbar: Die Kostenbasis wurde gesenkt, 650 Stellen abgebaut, Prozesse gestrafft.

Aber auch das ist klar: Ein Restrukturierungsprozess über drei Jahre bei gleichzeitig globaler Marktverunsicherung ist ein Ritt auf der Rasierklinge. Die Finanzierung steht – sofern die Treuhandlösung durchgeht. Die operative Umsetzung bleibt herausfordernd. Und noch ist völlig offen, ob das Unternehmen am Ende wieder in Familienhand geführt wird – oder verkauft werden muss.

Wenn Kontrolle der Preis für Stabilität ist

Webasto steht sinnbildlich für ein Problem, das viele mittelständische Zulieferer trifft: Krisenfestigkeit braucht Kapital – aber Kapital verlangt Kontrolle.

Der Deal mit den Banken bringt Liquidität, aber auch eine massive Verschiebung der Machtverhältnisse. Eine Treuhandstruktur ist selten eine Übergangslösung. Sie ist oft ein Vorläufer für einen strategischen Verkauf oder eine vollständige Neuaufstellung.

Wer dann einsteigt – Finanzinvestoren, Industriekäufer oder die Familie in neuer Konstellation – wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen. Bis dahin ist Webasto formal stabilisiert, aber strategisch in der Schwebe.

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