Wie Vorwerk mit dem Thermomix einen Küchen-Giganten neu erfindet
6000 Geräte pro Tag – Vorwerk fährt die Produktion für den TM7 hoch wie bei einem Massenprodukt, verkauft ihn aber weiter als Premium-Küchenhilfe für 1.549 Euro.

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Wie Vorwerk mit dem Thermomix einen Küchen-Giganten neu erfindet

Der TM7 ist nicht einfach ein Küchengerät – er ist ein Wirtschaftsfaktor. Warum der neue Thermomix nicht nur Lieferketten, sondern auch Wachstumsgrenzen sprengt, wie Vorwerk mit modularer Technik und globaler Expansion auf Angriff schaltet – und welche Schattenseiten der Boom hat.

Der Mixer als Milliardenmaschine

Der Thermomix war schon immer mehr als ein technisches Spielzeug für ambitionierte Hobbyköche – er ist das Rückgrat eines Familienunternehmens, das seine Wurzeln nie vergessen hat und dennoch mit deutscher Gründlichkeit weltweit expandiert.

Mit dem Start des neuen TM7 erreicht die Begeisterung rund um die Küchenmaschine jedoch eine neue Größenordnung: Über 300.000 Bestellungen in den ersten Wochen, 6000 Geräte sollen künftig täglich vom Band laufen. Und trotzdem: Wer jetzt bestellt, muss bis Oktober oder November warten.

Vorwerk liefert sich selbst aus

Die Lage wirkt paradox. Während andere Unternehmen unter Nachfrageschwäche leiden, kämpft Vorwerk mit der eigenen Beliebtheit. Die Wartezeit für den TM7 beträgt aktuell rund 18 Wochen – ein Rückgang gegenüber den Spitzenwerten von 23 Wochen, aber noch immer alles andere als „normal“.

Der Vertrieb funktioniert dabei über ein einzigartiges System aus mehr als 100.000 Direktberaterinnen weltweit, die ihre Kunden nicht nur betreuen, sondern auch mit persönlicher Beratung und Live-Demos bei Laune halten.

Diese Nähe hat sich gerade in schwierigen Phasen wie Lieferverzögerungen als strategischer Vorteil erwiesen.

600 Millionen Euro für Design, Fertigung und Logistik

Doch mit Nähe allein lässt sich keine Revolution in der Küche orchestrieren. Vorwerk hat tief in die Tasche gegriffen: 173 Millionen Euro Entwicklungskosten für das neue Modell, über 160 Millionen Euro in neue Werke, Modernisierungen und Logistikzentren – allein das zeigt, welche wirtschaftliche Schlagkraft hinter dem Projekt TM7 steht.

Nur das Messer bleibt gleich – Vorwerk hat beim TM7 fast alle Teile verändert. Zubehör des Vorgängers? Meist nutzlos. Nachhaltigkeit klingt anders.

Der Produktionsstandort Frankreich – mit Werken in Cloyes-sur-le-Loire und Donnemain-Saint-Mamès – übernimmt dabei die Schlüsselrolle in Europas Thermomix-Offensive.

Das neue Design – und seine Schattenseiten

Der TM7 sieht aus wie ein Technik-Statement: Schwarz, flacher, mit großem Touchdisplay – der ikonische Look der Vorgängermodelle ist Geschichte. Und auch technisch hat sich viel getan: leiserer Motor, neue Sensorik, mehr Sicherheitsfunktionen. Nur das Messer ist geblieben.

Doch die neue Modularität hat ihren Preis: Zubehörteile aus früheren Generationen sind inkompatibel. In sozialen Netzwerken hagelt es Kritik – insbesondere von langjährigen Kunden, deren Investitionen in Zusätze nun entwertet scheinen. Und das bei einem Basispreis von 1.549 Euro.

Zweite Welle: Generalüberholung des Geschäftsmodells

Was bislang meist nebenbei lief, wird nun zur strategischen Säule: Refurbed-Modelle. Vorwerk prüft offiziell den Einstieg in das Geschäft mit generalüberholten Thermomix-Geräten. Der Markt dafür sei riesig, sagt CEO Thomas Stoffmehl – und könnte auch dabei helfen, neue Kundengruppen zu erschließen.

Nachhaltigkeit sei kein Trend, sondern werde Teil der Unternehmensstrategie, verspricht er. Doch bisher beschränkt sich das Recycling-Angebot auf alte Kobold-Staubsauger. Ob sich der gleiche Weg beim Thermomix durchsetzen lässt, bleibt offen.

Zahlen, die selbst Investoren aufhorchen lassen

2023 erzielte Vorwerk mit dem Thermomix rund 1,7 Milliarden Euro Umsatz. 2024 sollen es erstmals mehr als zwei Milliarden werden – ein Plus von 18 Prozent.

Zum Vergleich: Der Staubsaugerbereich „Kobold“ bringt nur rund 780 Millionen, die eigene AKF-Bank etwa 640 Millionen Euro ein. Das bedeutet: Fast jeder zweite Euro kommt künftig aus einem Küchengerät. Eine Konzentration, die aus betriebswirtschaftlicher Sicht Chancen, aber auch erhebliche Risiken birgt.

Der Schatten des Erfolgs: Kobold kämpft

Während der Thermomix boomt, bleibt das Staubsauger-Geschäft unter den Erwartungen. Der Umsatz brach um zehn Prozent ein, die Zahl der Berater stagniert. 12.000 Kobold-Verkäufer stehen über 100.000 Thermomix-Berater gegenüber – ein Missverhältnis, das inzwischen auch intern kritisch gesehen wird.

CEO Stoffmehl räumt Versäumnisse ein, verspricht jedoch Gleichbehandlung und eine strategische Neuausrichtung der Kobold-Sparte. Ob diese kommt, hängt nicht nur vom Willen der Führungsetage ab – sondern auch von der Loyalität der Mitarbeiter, die sich zu oft als zweite Wahl fühlen.

Wachstumsschmerzen mit Ansage

Der Thermomix ist für Vorwerk das, was das iPhone für Apple ist: Zugpferd, Innovationsplattform, Markenikone. Doch die Abhängigkeit vom Erfolg eines einzigen Produkts ist nicht ungefährlich.

Die Expansion in neue Märkte wie Australien, Malaysia oder die Benelux-Staaten soll Diversifikation bringen – doch der Weg ist lang. Die Lieferverzögerungen zeigen zudem, dass selbst Milliardeninvestitionen keine Wunder wirken, wenn Produktion, Logistik und Nachfrage nicht im Einklang stehen.

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