Vom Internet in die Innenstadt
PayPal will mehr sein als ein Button auf einer Website. In Hamburg hat der US-Konzern bei der Digitalmesse OMR den größten Strategiewechsel seit Jahren vorgestellt: eine mobile Wallet für das stationäre Bezahlen – kontaktlos, app-basiert und mit Rabattsystem.
Der Rollout beginnt ausgerechnet in Deutschland. „Bye-bye Bares“ heißt die begleitende Werbekampagne. Die Botschaft: PayPal gehört nicht nur in den Online-Warenkorb, sondern auch an die Supermarktkasse.
Es ist ein Frontalangriff auf Bargeld, Girocard und die großen Smartphone-Wallets von Apple und Google. Und es ist ein Angriff mit Ansage.
Marketing statt Margen
Die Neuausrichtung trägt die Handschrift von Geoff Seeley, früher Airbnb, heute Chief Marketing Officer bei PayPal. „Ein einzelner Button ist nicht genug“, sagte er in Hamburg – und traf damit einen wunden Punkt.
Denn PayPal ist zwar bekannt, aber nicht mehr konkurrenzlos. Lösungen wie Shop Pay von Shopify, Klarna, Amazon Pay oder Apple Pay machen dem einstigen Marktführer das Leben schwer. Und auch der Kapitalmarkt hat reagiert: Die Aktie liegt heute auf dem Niveau von 2018 – während Konkurrenten zulegen.

Jetzt soll die Marke neu gedacht werden. Statt technischer Infrastruktur will PayPal Konsumentenmarke sein. Mit Präsenz im Alltag, emotionaler Ansprache und Zusatzfunktionen wie Teilzahlung, Sofortkredit und personalisierten Angeboten.
Der deutsche Sonderfall
Dass ausgerechnet Deutschland als erster Markt für die neue Wallet-Kampagne gewählt wurde, hat zwei Gründe. Erstens: das Volumen. Deutschland ist einer der wichtigsten Einzelmärkte Europas.
Zweitens – und paradoxerweise: das Problem. Denn kaum ein anderes Land hängt so sehr am Bargeld. Auch 2025 wird in Bäckereien, Imbissen und Apotheken lieber bar gezahlt als per App. Digitale Wallets bleiben oft die Ausnahme – selbst unter Jüngeren.
Doch genau das will PayPal ändern. Mit aggressiver Sprache („Wann hat Bargeld Dich je zurückgeliebt?“), großflächigen Werbespots und einem Mix aus Convenience, Cashback und Markenimage versucht man, das klassische Bezahlen emotional zu unterlaufen.
Die Hoffnung: Wer einmal per App bezahlt hat, kommt nicht mehr zurück zur Münzgeldschale.
Zwischen Apple und Aldi
Im Wettbewerb um das Bezahlen am Point of Sale (POS) ist PayPal spät dran. Apple Pay ist auf iPhones tief integriert, Google Pay bei Android-Nutzern Standard. Und die Girocard – immer noch das meistgenutzte Zahlungsmittel an der Ladenkasse in Deutschland – funktioniert reibungslos. Warum also umsteigen?
PayPal setzt auf Mehrwert. Rabatte, Ratenzahlung, Verknüpfung mit Kundenbindungsprogrammen. Doch ob das ausreicht, um Gewohnheiten zu verändern, ist ungewiss. Zumal viele Händler ihre Margen nicht mit neuen Gebührenmodellen belasten wollen – ein strukturelles Problem für alle Payment-Anbieter.
Zukunft offen – Strategie eindeutig
PayPal braucht eine neue Rolle – und sucht sie jenseits des digitalen Einkaufswagens.
Der Versuch, vom Online-Zahlungsdienst zum universellen Alltagsbegleiter zu werden, ist ambitioniert – und riskant. Sollte die Wallet in Deutschland Erfolg haben, könnte das Modell auch in andere Märkte übertragen werden. Scheitert sie, droht ein weiteres Jahr ohne Wachstum – und ohne Kursfantasie.
Die Marke ist stark, die Zahlen weniger. PayPal will raus aus der Vergleichbarkeit und rein in den Alltag. Die Kunden entscheiden jetzt – in dem Moment, wenn sie ans Bezahlen denken.
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