Jerome Powell steht zwischen widersprüchlichen Erwartungen. Während die US-Notenbank die Konjunktur stabilisieren soll, preisen Investoren rasante Zinssenkungen ein – ein Wunsch, der ebenso schnell kippen kann wie die Inflationsentwicklung selbst. Für Anleger ist diese Unsicherheit ein Warnsignal: Das kommende Jahrzehnt verlangt eine andere Depotarchitektur als die Jahre zuvor.

Das 60/40-Modell verliert seinen Stabilitätskern
Über Jahrzehnte galt die Mischung aus 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Anleihen als robustes Allwetterportfolio. Die Logik war einfach: Aktien bringen Rendite, Anleihen puffern Schwankungen. Doch dieser Mechanismus trägt nicht mehr zuverlässig. Seit 2022 hat die Negativkorrelation zwischen beiden Anlageklassen deutlich nachgelassen. Steigen die Zinsen, fallen beide Märkte häufig gemeinsam – und ziehen die Portfolioperformance mit nach unten.
Renditeseitig spricht ebenfalls wenig für das alte Paradigma. Globale Aktien lieferten im vergangenen Jahrzehnt rund zehn Prozent pro Jahr. Große Häuser wie Vanguard und JP Morgan erwarten für die nächsten zehn Jahre nur noch fünf bis sechs Prozent. Staatsanleihen liegen ebenfalls niedriger. Ein klassisches 60/40-Portfolio kommt so künftig nur auf rund 4,6 Prozent nominale Jahresrendite.
Die Inflationsrisiken bleiben strukturell verankert
Hinzu kommt ein Umfeld, in dem die Inflation eher über als unter den Zielwerten verharren dürfte. Demografische Engpässe, teurere Produktionsstandorte aufgrund von Nearshoring, geopolitische Lieferkettenrisiken und wachsende Staatsausgaben wirken langfristig preistreibend.
Normalerweise würde das höhere Leitzinsen nach sich ziehen. Doch Staaten haben kaum Interesse an dauerhaft hohen Finanzierungskosten. Der politische Druck auf die Notenbanken nimmt zu – ein Szenario, in dem Anleihen gleichzeitig geringe Renditen liefern und schlechter schützen.
Höhere Aktienquoten werden zur neuen Norm
Wenn Renditen sinken und Anleihen ihre Pufferfunktion verlieren, führt kaum ein Weg an einer höheren Aktienquote vorbei. Modelle mit 70 oder 80 Prozent Aktien heben die erwartete Rendite zwar nur moderat an, verbessern aber die langfristigen Chancen in einem Umfeld strukturell höherer Inflation.
Vermögensmanager empfehlen, diese Aktienquote mit klaren Qualitätskriterien aufzubauen: globale, solide finanzierte Unternehmen mit hoher Eigenkapitalrendite und belastbaren Geschäftsmodellen. Entscheidender wird jedoch der Umgang mit Rücksetzern: Ausstiegsregeln, Risikolimits und taktische Cashreserven ersetzen die frühere Rolle der Anleihen.
Der Markt lädt Anleger zu Moden ein – doch Robustheit schlägt Exotik
Investmenthäuser werben derzeit offensiv für neue Bausteine: Private Equity, Private Credit, Liquid Alternatives. Die Versprechen klingen attraktiv – hohe Illiquiditätsprämien, geringe Schwankungen, angeblich marktneutrale Strategien.
Unabhängige Vermögensverwalter bleiben vorsichtig. Viele dieser Produkte liefern weder die versprochene Stabilität noch verlässliche Renditen. Für Privatanleger sind sie oft teuer, illiquide und schwer zu durchblicken. Eltifs können für langfristig gebundenes Kapital sinnvoll sein, ersetzen aber kein strategisches Grundgerüst.
Ein tragfähiges Depot basiert weiterhin auf einem klaren Regelwerk – nicht auf exotischen Moden.

Rohstoffe kehren als strategische Komponente zurück
Anders fällt die Bewertung bei Rohstoffen aus. Steigt die Inflation, steigen meist auch Energie- und Industriemetallpreise. Über ETCs lassen sie sich breit ins Portfolio integrieren. Öl und Gas bleiben relevant, weil sie direkt in die Preisindices einfließen.
Gold behält seine Rolle als Inflations- und Krisenversicherung. Die Rally der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass das Edelmetall sowohl in geldpolitischer Unsicherheit als auch in geopolitischen Stressphasen zuverlässig funktioniert. Die Goldquote sollte dennoch begrenzt bleiben – das Metall neigt zu langen Seitwärtsphasen.
Ein Musterdepot für die nächste Dekade setzt auf Klarheit
Aus den neuen Rahmenbedingungen ergibt sich eine Struktur, die weder spekulativ noch modisch ist, sondern an den fundamentalen Mechaniken des Marktes ausgerichtet bleibt:
70 Prozent globale Aktien, breit gestreut über ETFs.
15 Prozent Anleihen, bevorzugt mit kurzen Laufzeiten und hoher Bonität.
10 Prozent Rohstoffe, vor allem Energierohstoffe über ETCs.
5 Prozent Gold als langfristige Stabilitätsreserve.
Ein solches Portfolio akzeptiert, dass die Zeiten niedriger Inflation und hoher Diversifikationseffekte vorbei sind – und überträgt bewährte Regeln in ein Umfeld, das härter und volatiler geworden ist.
Die Frage ist nicht, ob Anleger ihr Depot modernisieren sollten. Sondern wie konsequent sie es tun.



