Glamourös vor der Kamera, undurchsichtig im Hintergrund: Robert und Carmen Geiss kassieren laut Dokumenten über eine Firma in Dubai Gagen für ihre eigenen TV-Auftritte – an sich selbst.
Reichtum
Wie die Geissens Millionen an sich selbst überweisen und der deutsche Fiskus leer ausgeht
Exklusiv: Der InvestmentWeek liegen interne Verträge und Rechnungen vor, die zeigen, wie das TV-Paar über eine dubaiische Firma Millionenzahlungen organisiert. Der Verdacht: ein legaler Steuertrick, der auf dem Papier funktioniert – und auf Kosten der Allgemeinheit geht.
Von der Bühne in die Bücher
Die öffentlich inszenierte Welt von Robert und Carmen Geiss ist laut, grell, verschwenderisch. Die beiden TV-Persönlichkeiten gelten als Inbegriff deutschen Reality-Jet-Sets – und als wahre Meister des Selbstmarketings.
Was bislang weitgehend verborgen blieb: Hinter dem TV-Format „Die Geissens“ läuft ein Konstrukt, das juristisch wasserdicht erscheinen mag, aber steuerlich Fragen aufwirft.
Der InvestmentWeek wurden Dokumente zugespielt, die einen tiefen Einblick in die geschäftlichen Strukturen der Familie Geiss gewähren – inklusive interner Verträge, Rechnungen und Firmenverflechtungen.
Ein Firmengeflecht mit System
Im Zentrum: Eine Firma mit dem unscheinbaren Namen Indigo Ltd. FZCO, eingetragen in der Dubai Silicon Oasis, einer der bekanntesten Steuerzonen der Vereinigten Arabischen Emirate.
Gegründet am 16. November 2020 von Robert Geiss persönlich. Die Firma ist eine sogenannte Free Zone Company, die in ihrer Struktur auf Steuerfreiheit ausgelegt ist.
Nur Wochen später erhält auch Carmen Geiss umfassende Vollmachten für das Unternehmen. Laut Satzung bietet Indigo „Marken- und IP-Verwaltung“ – faktisch aber laufen hier offenbar Millionen aus Deutschland ein.
Selbst geschriebene Rechnungen
Aus internen Unterlagen geht hervor: Zwischen 2020 und 2023 flossen über 2,25 Millionen Euro von der Geiss TV GmbH in Köln an die Indigo Ltd. in Dubai.
Beide Firmen sind direkt im Besitz der Geissens. In Auftrag gegeben wurden etwa Drehtage, Produktionsbetreuung, Performer Fees – also Gagen für die Geissens selbst. Die Geiss TV GmbH ist Produzentin des RTL2-Formats, Geschäftsführer: Robert Geiss. Geschäftsführerin: Carmen Geiss.
Am 15. Dezember 2023 stellte Indigo etwa eine Rechnung über 144.000 Euro für „Performer Fees C+R“ – also die Auftritte von Carmen und Robert Geiss. Am 31. Dezember 2022: 212.600 Euro für Planung, Produktionsmanagement und Reisetage.
In zwei weiteren Rechnungen: jeweils über 100.000 Euro, wovon der Großteil wieder auf die „Performer Fees“ entfällt.
Indigo rechnet – auch ohne Existenz
Besonders brisant: Eine von InvestmentWeek gesichtete Rechnung der Indigo Ltd. datiert vom 2. November 2020 – also zwei Wochen vor der offiziellen Firmengründung.
Auch ein Rahmenvertrag zur Zusammenarbeit mit der Geiss TV GmbH ist auf den 7. Januar 2020 datiert – da existierte Indigo Ltd. in den Emiraten nachweislich noch nicht.
Der Verdacht: Wurden Verträge rückdatiert? Warum wurden Leistungen abgerechnet, bevor es das Unternehmen offiziell gab? Weder Carmen noch Robert Geiss gaben auf Anfrage eine Stellungnahme ab.
Luxus mit System: Zwischen 2020 und 2023 stellte die Indigo Ltd. – im Besitz der Geissens – ihrer Produktionsfirma Rechnungen über mehr als 2,25 Millionen Euro.
Auch RTL2 äußerte sich lediglich pauschal und betonte, keine vertragliche Beziehung zur Indigo Ltd. zu unterhalten. Doch Dokumente legen nahe: Indigo hat mit dem Sender direkt verhandelt.
Von Köln nach Dubai und zurück
Die interne Kommunikation und Abwicklung der Rechnungen scheint vielfach nicht in Dubai, sondern in Deutschland erfolgt zu sein.
Laut Insidern aus dem Umfeld der Produktion wurden zentrale Aufgaben, die offiziell durch Indigo Ltd. erledigt worden sein sollen, tatsächlich von Mitarbeitenden der Geiss TV GmbH in Köln ausgeführt. Die Firma in Dubai existiert zwar auf dem Papier – doch ist sie faktisch aktiv oder nur ein steueroptimiertes Vehikel?
Millionen im Eigenhandel
Ein weiteres Muster: Neben Performer Fees rechnet Indigo auch Agenturpauschalen und Vermittlungsprovisionen ab. Eine Rechnung zum Jahresende 2022 über 1,175 Millionen Euro bezieht sich auf „Vermittlungshonorare“ für gleich mehrere TV-Produktionen.
Die Absenderfirma: Indigo. Die Empfängerin: Geiss TV. Beide kontrolliert durch dasselbe Ehepaar. Eine klassische In-sich-Geschäftsbeziehung, bei der auf dem Papier alles seine Ordnung hat – und dennoch ein schaler Beigeschmack bleibt.
Legal, aber legitim?
Solche Konstellationen sind nicht per se illegal. Entscheidend ist, ob die Leistungen tatsächlich erbracht wurden und marktüblich bepreist sind.
Doch genau daran bestehen im Fall Geiss erhebliche Zweifel. Die Leistungen erscheinen vielfach überhöht – teils schwer belegbar, teils mit fragwürdigen Zeitpunkten versehen.
Eine steuerliche Gestaltung, bei der sich eine deutsche Firma an eine Auslandsfirma im Besitz derselben Personen bedient, kann nach §42 AO (Abgabenordnung) sogar als Gestaltungsmissbrauch gewertet werden – wenn das wirtschaftliche Ziel allein die Steuervermeidung ist.
Ein Sender im Schatten
RTL2 betont, keine Verträge mit Indigo zu unterhalten – und hält sich zu den Inhalten der Verträge mit Geiss TV GmbH bedeckt.
Doch in mindestens einem Fall nennt ein Vertrag zwischen Geiss TV und Indigo explizit RTL2 als Produktionspartner. War dem Sender die Rolle der Dubai-Firma bewusst? Oder wollte man lieber nicht so genau hinschauen?
Ein Imperium mit steuerfreiem Kern
Parallel zum TV-Geschäft betreiben die Geissens Modelinien, Online-Shops, Immobilien – laut luxemburgischen Handelsregistern erwirtschaftete eine Holding von Robert Geiss in drei Jahren einen Umsatz von über 22 Millionen Euro.
Wie viel davon über Dubai floss, bleibt unklar. Klar ist: Das Ehepaar hat ein Firmenkonstrukt geschaffen, das Transparenz vermeidet – und maximale steuerliche Effizienz garantiert.
Der Preis des Schweigens
Während das Ehepaar im Fernsehen über Botox, Boote und Bentley schwadroniert, wird es bei Finanzfragen plötzlich wortkarg. Auf keine der detaillierten Nachfragen antworteten die Geissens oder ihre Anwälte konkret. Auch der Sender bleibt auf Distanz.
Ein steuerfreier Alltag in Dubai – und eine Show, die aus Deutschland bezahlt wird. Das ist die Realität hinter der Doku-Soap. Und eine Realität, bei der sich nicht nur die Steuerfahndung, sondern auch der Gesetzgeber fragen sollte: Wo endet clevere Gestaltung – und wo beginnt der Missbrauch?