Absatz gesichert – Marge verloren
Audi verkauft. Zumindest auf dem Papier. Doch ein Blick hinter die glänzenden Verkaufszahlen zeigt ein anderes Bild: 2024 wurden in Deutschland rund 47 Prozent aller Audi-Neuwagen nicht an klassische Endkunden verkauft, sondern gingen an Autovermieter, Behörden, Carsharing-Flotten oder wurden vom Handel selbst zugelassen.
Der Anteil dieser margenschwachen Kanäle steigt seit Jahren – inzwischen sichern sie fast die Hälfte des Absatzes.
Noch 2017 lag der Anteil dieser sogenannten „Sonderkanäle“ bei unter 40 Prozent. Heute dienen sie dem Konzern vor allem als Ventil, um die Produktionsbänder auszulasten und Lagerbestände abzubauen. Gewinne spielen dabei eine untergeordnete Rolle.
Die Schattenseite der Produktionsplanung
Für die Händler und den Hersteller bedeutet das in vielen Fällen: Verkäufe unter Einstandspreis oder mit aggressiven Rabatten. Vorstandsnahe Stimmen sprechen offen von „Geldwechselgeschäften“ – Autos werden produziert, verkauft, schnell wieder auf dem Gebrauchtwagenmarkt angeboten und verlieren innerhalb kürzester Zeit deutlich an Wert.
Der Hintergrund: Audi hat seine Produktionskapazitäten über Jahre hochgefahren. Ex-Chef Markus Duesmann plante einst mit bis zu drei Millionen Fahrzeugen jährlich.
Doch die Nachfrage blieb hinter den Erwartungen zurück. In Brüssel wird nun sogar ein Werk geschlossen. In Deutschland laufen die Fabriken unter Kapazität: In Ingolstadt wurden 2024 nur 337.000 Fahrzeuge gebaut, ausgelegt ist das Werk auf 450.000.

Privatkunden laufen davon
Besonders bitter: Gerade dort, wo am meisten verdient wird, verliert Audi kontinuierlich Marktanteile. Der Anteil der Privatkunden schrumpfte auf nur noch 18 Prozent. 2024 wurden in Deutschland lediglich 37.000 Neuwagen an private Käufer ausgeliefert – fast 50 Prozent weniger als noch 2017.
In den margenschwachen Vermietermarkt hingegen steuert Audi bewusst mehr Volumen: 41.000 Fahrzeuge gingen 2024 allein an Vermieter wie Sixt oder Miles – ein Anstieg von 54 Prozent gegenüber 2017.
Während der Gesamtmarkt bei Autovermietern in den vergangenen sieben Jahren sogar um 17 Prozent geschrumpft ist, hat Audi in genau diesem Segment stark aufgedreht.
Die Bilanz leidet sichtbar
Die Rechnung für die aggressive Absatzpolitik zahlt der Konzern inzwischen selbst. Im vergangenen Jahr lag Audis operative Umsatzrendite bei nur noch 4,6 Prozent. Im ersten Quartal 2025 sackte die Marge weiter auf magere 1,5 Prozent. Damit sind die Ingolstädter in puncto Profitabilität das Schlusslicht unter den deutschen Premiumherstellern.
Zum Vergleich: BMW und Mercedes erwirtschaften derzeit operative Margen von rund sieben Prozent in ihren Autosparten. Beide setzen nach wie vor stärker auf margenstarke Privat- und Firmenkundenverkäufe, ohne sich so massiv auf die Vermieter-Kanäle stützen zu müssen.
Die Konkurrenz macht es anders
Besonders Mercedes zeigt, dass es auch anders geht. Während Audi seinen Privatkundenanteil halbierte, konnte Mercedes diesen gegen den Trend sogar auf rund 36 Prozent steigern – doppelt so viel wie Audi. Gleichzeitig wurden die Verkäufe an öffentliche Verwaltung, Taxis und Vermieter drastisch reduziert.
Auch BMW hat zwar wie Audi sinkende Privatkundenanteile zu verkraften, kompensiert dies aber erfolgreich über solide Firmenkundengeschäfte. Bei den Münchenern liegt der Anteil der Sonderkanäle immerhin noch klar unter den Werten der Ingolstädter.
Der Preis für zu viele leere Lagerplätze
Hinter dem Problem steckt ein altbekanntes Dilemma der Autobranche: Überproduktion. Werden Fahrzeuge ohne konkrete Bestellung gebaut, entstehen schnell hohe Lagerbestände, die teuer und riskant sind.
„Kein Hersteller kann es sich leisten, Autos mit einem Wert von 40.000 bis 60.000 Euro ungenutzt stehen zu lassen“, warnt Autoexperte Arthur Kipferler von Berylls by Alix Partners.
Stattdessen wird der Absatz über Rabatte und Großabnehmer künstlich stimuliert. Was kurzfristig Werke am Laufen hält, kostet auf Dauer Marge, Markenimage und Preiskontrolle.
Späte Hoffnung liegt auf neuen Modellen
Nach jahrelangen Verzögerungen, vor allem durch Probleme bei der Software-Entwicklung, sollen nun neue Modelle endlich die Wende bringen: Der Q6 e-tron, die neue A6-Baureihe sowie der kompakte SUV Q3, der am Montagabend vorgestellt wurde, sollen das Blatt wenden. Ob sie den Absatzeinbruch bei Privatkunden aufhalten können, bleibt abzuwarten.
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