Stellar ist kein lautes Projekt. Keine Meme-Dynamik, keine spektakulären Kursversprechen, keine Gründer, die täglich auf Bühnen stehen. Und genau darin liegt die Besonderheit dieser Kryptowährung. Während große Teile des Kryptomarkts von Zyklen aus Euphorie und Ernüchterung getrieben werden, arbeitet Stellar seit Jahren an einer nüchternen Mission: Zahlungsinfrastruktur für das globale Finanzsystem.

Wer verstehen will, warum Stellar heute eher bei Banken, Zahlungsdienstleistern und Entwicklungsorganisationen auftaucht als in Krypto-Hype-Debatten, muss sich ansehen, wer dahintersteht – und wofür das Netzwerk ursprünglich gebaut wurde.
Stellar wurde als Zahlungsnetzwerk konzipiert
Gegründet wurde Stellar 2014. Trägerin des Projekts ist die Stellar Development Foundation, eine gemeinnützige Organisation mit Sitz im US-Bundesstaat Delaware. Ihr Ziel war von Beginn an klar definiert: ein offenes, globales Netzwerk für den schnellen und günstigen Austausch unterschiedlicher Währungen zu schaffen.
Im Kern geht es nicht um eine neue Form von Geld, sondern um die Abwicklung von Zahlungen. Stellar sollte als Brücke zwischen bestehenden Währungen fungieren – insbesondere dort, wo klassische Bankensysteme teuer, langsam oder kaum zugänglich sind.
Technisch setzt Stellar auf eine eigene Blockchain und ein speziell entwickeltes Konsensverfahren. Anders als bei Proof-of-Work- oder Proof-of-Stake-Systemen kommt das Stellar Consensus Protocol (SCP) zum Einsatz, das auf einem föderierten Vertrauensmodell basiert. Transaktionen werden dadurch schnell bestätigt, der Energieverbrauch bleibt gering.

Die Abgrenzung zu Ripple war ein bewusster Schnitt
In der Frühphase wurde Stellar häufig als Abspaltung von Ripple wahrgenommen. Das ist kein Zufall. Teile des ursprünglichen Codes basierten auf dem Ripple-Protokoll, und auch personell gibt es Überschneidungen.
Doch bereits 2015 zog Stellar eine klare Grenze. Das Netzwerk löste sich vollständig von Ripple, entwickelte ein eigenes Konsensmodell und stellte sich organisatorisch neu auf. Seitdem sind beide Projekte technisch wie strategisch unabhängig – mit unterschiedlichen Zielgruppen und Prioritäten.
Während Ripple stark auf Banken und große Zahlungsströme fokussiert ist, positionierte sich Stellar breiter: als offene Infrastruktur, die auch kleineren Finanzakteuren, Fintechs und Emittenten digitaler Währungen zur Verfügung steht.
Jed McCaleb prägte die DNA des Projekts
Eine zentrale Figur in der Entstehung von Stellar ist Jed McCaleb. Der US-Programmierer ist eine der schillerndsten Persönlichkeiten der frühen Krypto-Geschichte. Vor Stellar gründete er unter anderem das File-Sharing-Netzwerk eDonkey, war an der frühen Bitcoin-Börse Mt. Gox beteiligt und gehörte zu den Mitgründern von Ripple.
Nach internen Konflikten verließ McCaleb Ripple und initiierte Stellar – mit dem erklärten Ziel, ein offeneres, gemeinwohlorientierteres Netzwerk zu schaffen. Seine technischen Vorstellungen prägen Stellar bis heute, auch wenn er sich operativ zurückgezogen hat.
Die Führung liegt inzwischen klar bei der Stellar Development Foundation. Vorsitzende ist Denelle Dixon, eine Juristin mit Erfahrung in Technologie- und Finanzregulierung. Das Projekt wird nicht von einem Gründerzirkel, sondern von einer institutionell aufgestellten Organisation gesteuert.
XLM ist Werkzeug, keine Aktie
Die native Kryptowährung des Netzwerks heißt Lumen, abgekürzt XLM. Ihre Funktion ist klar definiert: Sie dient als Brückenwährung zwischen verschiedenen Assets, als Anti-Spam-Mechanismus und zur Absicherung des Netzwerks.
XLM ist kein Anteilsschein an Stellar und vermittelt keine Eigentumsrechte. Die Rolle der Währung ist funktional, nicht spekulativ gedacht. Das unterscheidet Stellar von vielen Projekten, bei denen Token vor allem als Vehikel für Wertsteigerung wahrgenommen werden.
Dass XLM dennoch an Börsen gehandelt wird und Kursschwankungen unterliegt, ist Folge des Marktes – nicht des Designs.
Kooperationen schufen früh Glaubwürdigkeit
Schon in den ersten Jahren gewann Stellar namhafte Unterstützer. Stripe investierte 2014 in das Projekt und verschaffte ihm Aufmerksamkeit im Silicon Valley. Besonders prägend war die Zusammenarbeit mit IBM, die 2017 zur Entwicklung der Blockchain-Zahlungsplattform World Wire führte.
Diese Kooperationen gelten heute weniger als Wachstumstreiber denn als Vertrauensanker. Sie signalisierten früh, dass Stellar kein reines Experiment ist, sondern von etablierten Akteuren ernst genommen wird.
Inzwischen liegt der Fokus weniger auf einzelnen Großpartnerschaften als auf der breiten Nutzung des Netzwerks durch Finanzdienstleister und Emittenten digitaler Vermögenswerte.

Heute steht Stellar für Stablecoins und Tokenisierung
Die strategische Ausrichtung hat sich in den vergangenen Jahren weiter geschärft. Stellar positioniert sich als Infrastruktur für Stablecoins, grenzüberschreitende Zahlungen und die Tokenisierung realer Vermögenswerte.
Das Netzwerk ermöglicht die Ausgabe und den Handel digitaler Repräsentationen von Fiat-Währungen, Anleihen oder anderen Assets. Gerade für regulierte Stablecoins bietet Stellar aufgrund niedriger Kosten und schneller Abwicklung eine attraktive Basis.
Der Endkunde steht dabei nicht im Mittelpunkt. Stellar versteht sich als technisches Fundament, auf dem andere Finanzprodukte aufsetzen – ähnlich wie Zahlungsnetzwerke oder Clearing-Systeme im klassischen Finanzsektor.
Ein leises Projekt mit klarer Rolle
Im Kryptomarkt, der von Narrativen und kurzfristigen Trends lebt, wirkt Stellar fast aus der Zeit gefallen. Doch genau diese Nüchternheit ist Teil der Strategie.
Die Stellar Development Foundation verfolgt keinen Wachstumszwang um jeden Preis, sondern einen infrastrukturellen Ansatz. Internationale Zahlungen sollen effizienter werden, insbesondere in Regionen mit schwacher Bankeninfrastruktur.
Dass XLM damit nicht dauerhaft in den Top Ten der größten Kryptowährungen steht, ist zweitrangig. Zuletzt lag die Marktkapitalisierung bei rund 7,5 Milliarden US-Dollar, das Ranking schwankt entsprechend der Marktlage.
Stellar will kein Hype sein. Es will funktionieren. Und genau deshalb spielt das Netzwerk im Hintergrund der globalen Finanzarchitektur eine größere Rolle, als es der öffentliche Diskurs oft vermuten lässt.



