Wall Street warnt – und niemand hört hin
Noch läuft alles irgendwie weiter. Die Märkte steigen, der Konsum hält sich – und Donald Trump verkündet auf X seine nächste große Steuerreform. Doch hinter den Kulissen verliert eine Säule des globalen Finanzsystems langsam, aber spürbar ihre Stabilität: der US-Staatsanleihemarkt.
Hedgefonds, Pensionsfonds und Zentralbanken ziehen sich zurück. Zu groß ist die Sorge, dass Amerikas Schuldenberg irgendwann nicht mehr tragfähig ist – und zu unkalkulierbar die Politik im Weißen Haus.
Die USA haben inzwischen rund 36 Billionen Dollar Schulden. Das entspricht 124 Prozent der Wirtschaftsleistung. Mehr als doppelt so viel wie Deutschland. Für viele Experten ist das längst kein theoretisches Risiko mehr, sondern eine tickende Zeitbombe.
Die Flucht aus dem Dollar hat begonnen
Während Donald Trump weiter davon spricht, mit seiner „Big Beautiful Bill“ die Steuerlast senken zu wollen, fließt Kapital aus den USA ab.
Kanadas zweitgrößter Pensionsfonds investiert künftig nicht mehr 40 Prozent seines Portfolios in US-Staatsanleihen, sondern zieht Gelder ab – Richtung Bundesanleihen, Frankreich, Großbritannien. Auch dänische Fonds reagieren. Es ist ein stiller Exodus, aber einer mit Folgen.
Die Renditen langlaufender US-Treasuries steigen – nicht, weil die Wirtschaft brummt, sondern weil das Vertrauen schwindet. Kürzlich musste das US-Finanzministerium Mühe aufbringen, eine 20-jährige Anleihe zu platzieren. Der Markt verlangte über 5 Prozent Zinsen – ein alarmierender Wert für einen Emittenten, der bislang als „risikolos“ galt.
Trump gegen den Markt
Dabei hätte ausgerechnet Trump allen Grund zur Vorsicht. Sein Steuerplan könnte laut Congressional Budget Office bis 2030 weitere 2,3 Billionen Dollar zur Schuldenlast addieren.

Gleichzeitig drohen höhere Zölle, wachsender Protektionismus und ein aggressiver Ton gegenüber der Fed. Die Investoren verstehen die Signale: Der Präsident denkt kurzfristig – die Bondmärkte aber sind ein Langfristspiel.
Larry Fink, CEO von BlackRock, brachte es kürzlich auf einer Konferenz auf den Punkt:
„Wenn die Schulden schneller wachsen als das BIP, überrollen sie irgendwann das Land.“
Und JP-Morgan-Chef Jamie Dimon warnte schon im Frühjahr vor einem möglichen „Knall“ an den Anleihemärkten – nicht aus ideologischen Gründen, sondern aus Sorge um die Systemstabilität.
Wenn sogar Musk Alarm schlägt
Selbst Elon Musk, sonst eher wirtschaftslibertär als fiskalpolitisch, mischt sich ein. Auf X wetterte er offen gegen Trumps Gesetz: „Kill the Bill.“
Es ist ein seltenes Eingeständnis, dass auch große Konzerne die fiskalische Richtung Amerikas zunehmend kritisch sehen. Musk steht dabei nicht allein: Viele an der Wall Street denken ähnlich – äußern es nur vorsichtiger.
Denn eins ist klar: Ein Einbruch am Anleihemarkt hätte weitreichende Folgen. Nicht nur für die USA, sondern für die Weltmärkte. Schließlich dienen US-Staatsanleihen als Sicherheitsanker im globalen Finanzsystem – von Lebensversicherern über Zentralbanken bis hin zu Hedgefonds, die mit Billionenbeträgen auf minimale Arbitrage-Chancen wetten.
Ein fragiles Gleichgewicht
Diese Wetten – sogenannte „Basis Trades“ – könnten zum Problem werden. Wenn Anleihekurse plötzlich stark fallen, müssen Fonds Sicherheiten nachschießen. Können sie das nicht, kommt es zu Zwangsverkäufen – und damit zu Kursstürzen, die sich selbst verstärken.
Im April ließ sich ein solches Szenario bereits andeuten, als das Zollchaos für Turbulenzen sorgte. Damals entschärfte Trump mit einem Moratorium. Doch wie lange funktioniert diese Taktik noch?
China und Japan schauen genau hin
Besonders heikel: Die größten ausländischen Gläubiger der USA sind China und Japan. Beide Länder haben ihre Bestände an US-Treasuries zuletzt reduziert – bislang nur vorsichtig, doch ein abrupter Verkauf größerer Volumina könnte die Märkte ins Wanken bringen.
Die Sorge: Eine solche Verkaufswelle könnte eine Kettenreaktion auslösen, die sich über alle Anlageklassen hinwegzieht – von Aktien über Rohstoffe bis hin zu Immobilien.
Und der Dollar? Auch der steht unter Druck. Die US-Währung hat gegenüber dem Euro seit Jahresbeginn deutlich nachgegeben. Analysten der Deutschen Bank rechnen damit, dass ein Euro bald 1,30 Dollar kosten könnte – ein deutliches Signal für sinkendes Vertrauen.
Ein Hebel, der auch Trump gefährlich werden kann
Trumps größter Gegner im Wahlkampf 2025 könnte nicht Biden oder die Justiz sein – sondern der Anleihemarkt. Ein Vertrauensverlust dort hätte unmittelbare Folgen für Amerikas Finanzierungskosten, für den Dollar, für die Stabilität der Märkte. Und: für das Gefühl, dass die USA im Notfall immer alles schultern können.
Wenn Investoren anfangen, das Gegenteil zu denken, ist es zu spät für eine Steuergesetzkorrektur per Unterschrift. Dann spricht nur noch die Mathematik. Und die kennt weder Wahlkampf noch Ideologie.
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