Die deutschen Staatsfinanzen verlieren an Tempo. Während in den vergangenen Monaten die Steuereinnahmen von Bund und Ländern noch solide zulegten, fällt der Mai erstmals aus dem Muster: Nur 2,6 Prozent mehr als im Vorjahresmonat, insgesamt 62,8 Milliarden Euro.
Abflachende Kurve: Die Euphorie ist verflogen
Noch im Frühjahr klangen die Zahlen stabil: Plus 8,3 Prozent im bisherigen Jahresverlauf, ein Gesamtvolumen von 349 Milliarden Euro bis einschließlich Mai. Doch nun scheint der Rückenwind zu versiegen.
Vor allem bei den Lohn- und Umsatzsteuern gab es zwar noch Zuwächse, die jedoch kaum über die Inflation hinausgehen.
Der erste Knick zeigt sich besonders bei der Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge – sie stagnierte im Mai erstmals seit über einem Jahr. Ein kleiner Satz im Monatsbericht, der aufhorchen lässt: „Kein erhebliches Plus mehr im Vorjahresvergleich“.
Das ist nicht nur eine statistische Randnotiz, sondern ein möglicher Hinweis auf eine abflauende Dynamik an den Kapitalmärkten und eine vorsichtigere Anlegerschaft.
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Arbeitsmarkt im Standgas: Lohnsteuer wächst – aber nicht mehr lange
Auch bei der Lohnsteuer war der Zuwachs zuletzt stabil. Doch das Ministerium warnt bereits: Die großen Tarifabschlüsse aus dem Vorjahr sind nun vollständig in der Vergleichsbasis enthalten. Das bedeutet: Die aktuellen Lohnerhöhungen dürften ab Sommer kaum noch für einen spürbaren Steuerimpuls sorgen.
Hinzu kommt die verhaltene Lage am Arbeitsmarkt. Zwar bleibt die Arbeitslosigkeit vergleichsweise niedrig, aber echte Wachstumsimpulse sind nicht in Sicht. Die Unternehmen halten sich mit Neueinstellungen zurück, in vielen Branchen dominieren Unsicherheit, Kostendruck und Konsumzurückhaltung.
Globale Unsicherheiten dämpfen den Ausblick
Im Monatsbericht des Ministeriums klingt es nüchtern: „Nach dem überraschend starken Wachstum im ersten Quartal sei im Sommerhalbjahr keine kräftige Dynamik zu erwarten.“ Die Gründe? Handelskonflikte, geopolitische Spannungen, hohe Zinsen – und vor allem ein anhaltender Investitionsstau.
Der Ukrainekrieg, die fragile Lage im Nahen Osten, die unsichere Lage in den USA vor der Wahl – all das sorgt für eine konjunkturelle Lähmung, die auch in der Steuerstatistik sichtbar wird.
Besonders im exportorientierten Deutschland wirken sich globale Handelsstörungen fast umgehend auf Auftragseingänge, Produktionspläne und Gewinnprognosen aus.
Ein strukturelles Problem bahnt sich an
Was im Mai wie ein kleiner Dämpfer aussieht, könnte sich schnell zu einem größeren strukturellen Problem auswachsen: Denn die Ausgabenseite des Staates bleibt unter Druck. Die Kosten für Rente, Pflege, Verteidigung und Transformation steigen weiter – während die Einnahmenseite an Tempo verliert.
Vor allem das Narrativ der letzten Jahre – „Deutschland kann sich alles leisten“ – bröckelt. Die Ampel-Koalition hatte für viele ihrer Vorhaben auf einen anhaltend robusten Steuertrend gesetzt. Doch wenn dieser jetzt einbricht, stehen unbequeme Priorisierungen bevor. Das macht nicht nur Haushaltspolitik schwieriger, sondern auch politische Kommunikation.
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