Zahlenspiele mit Signalwirkung
Die Zahl klingt beeindruckend: 61.336 Asyl-Erstanträge wurden von Januar bis Juni dieses Jahres in Deutschland gestellt – fast 50 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.
In manchem Rathaus wurde diese Entwicklung mit stillem Aufatmen registriert. Wo bis vor wenigen Monaten noch Turnhallen belegt und Zelte aufgestellt wurden, können nun erste Notunterkünfte wieder geschlossen werden.
„Solche Notlösungen können jetzt teilweise abgebaut werden“, sagt Christian Schuchardt, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags.
Er meint damit nicht den Rückbau einer Krise, sondern ein kurzes Innehalten im Dauerausnahmezustand. Die strukturelle Überlastung bleibt.
Eine Entlastung mit kurzem Verfallsdatum
Auch beim Städte- und Gemeindebund ist man vorsichtig optimistisch. André Berghegger spricht von einer „Atempause“ – mehr aber auch nicht. Denn die wahren Herausforderungen beginnen nicht mit der Ankunft der Geflüchteten, sondern mit allem, was danach kommt: Unterbringung, Integration, Betreuung, Schulplätze, Jobs.
All das kostet Geld – und genau das fehlt vielerorts. Während die Zahl der Neuankömmlinge sinkt, bleibt die Zahl der Menschen, um die sich Kommunen kümmern müssen, hoch. Sie müssen Wohnungen vermitteln, Sozialhilfe leisten, Perspektiven schaffen. Die Belastung hat sich nicht aufgelöst, sie hat nur das Etikett gewechselt.

Geflüchtete bleiben – die Mittel nicht
Trotz sinkender Antragzahlen bleibt die Lage angespannt, sagt Schuchardt. Die Menschen, die bereits im Land sind, brauchen Unterstützung – dauerhaft. Die finanzielle Hilfe vom Bund reiche dafür längst nicht aus. Vielerorts müssen Kommunen mit ihren Haushalten jonglieren, um Integrationsprojekte am Laufen zu halten.
Das ist nicht nur ein logistisches Problem, sondern auch ein politisches: Wenn die Finanzierung auf Kante genäht ist, wächst der Frust – bei Helfern, bei Bürgermeistern, und zunehmend auch bei Bürgern.
Das Tabuthema Rückführung
Ein Thema, das lange gemieden wurde, rückt nun wieder in den Fokus: Rückführungen. Konkret geht es um Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde und die kein Bleiberecht haben.
„Die Rückführung von ausreisepflichtigen Asylbewerbern ohne Bleibeperspektive muss besser und schneller funktionieren“, fordert Schuchardt.
Leicht gesagt – schwer umgesetzt. Denn Rückführungen scheitern oft an fehlenden Papieren, rechtlichen Hürden oder mangelnden Abkommen mit den Herkunftsländern.
Für Städte bedeutet das: Sie bleiben auf den Kosten und der Verantwortung sitzen. Und das sorgt für politischen Druck – besonders in Kommunen, die ohnehin um jeden Euro ringen müssen.
Politischer Stillstand auf mehreren Ebenen
Was vielen Verantwortlichen in den Städten fehlt, ist eine klare Strategie der Bundespolitik. Dass weniger Geflüchtete ankommen, liegt nicht an neuen Konzepten, sondern an äußeren Umständen: strengere Visavergaben, schärfere Grenzkontrollen in Nachbarländern, sinkende Fluchtbewegungen.
Diese Entwicklung gibt etwas Luft – mehr aber auch nicht. Was fehlt, sind Reformen, die Kommunen entlasten, etwa bei der Wohnraumversorgung, bei der Verteilung von Geflüchteten oder bei der Finanzierung von Integrationsarbeit.
Solange das nicht geschieht, bleibt die Migrationspolitik ein Krisenmodus mit angezogener Handbremse.
Zwischen Pause und Perspektivlosigkeit
Die aktuellen Zahlen suggerieren Erleichterung – doch die Realität in vielen Kommunen erzählt eine andere Geschichte. Der Verwaltungsapparat ist weiter am Limit, Integrationsangebote sind überlastet, Wohnraum fehlt, Fachkräfte ebenso.
Der Bund müsse jetzt liefern, fordern viele Kommunalpolitiker. Mit Geld, mit Struktur, mit Klarheit. Nur dann lässt sich aus der Atempause vielleicht doch noch ein echter Neuanfang machen.
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