10. Mai, 2025

Börse

Wem welcher ETF wirklich nützt – und warum der MSCI World nicht reicht

Das Auf und Ab an den Börsen macht viele nervös. Doch wer sein Portfolio an der eigenen Lebenslage ausrichtet, hat langfristig die besseren Karten. Die InvestmentWeek hat gemeinsam mit sechs unabhängigen Finanzplanern neun ETF-Portfolios entwickelt – für jedes Alter und jedes Risikoprofil.

Wem welcher ETF wirklich nützt – und warum der MSCI World nicht reicht
Trotz des Namens entfallen über 70 % des Index auf Nordamerika, über 20 % allein auf Apple, Microsoft, Amazon & Co. – echte Diversifikation sieht anders aus.

Wenn Börse Bauchweh macht – hilft ein kluges Depot

Die Märkte schwanken, die Stimmung auch. Inflation, Zinswende, geopolitische Verwerfungen – es braucht nicht viel, um selbst erfahrene Anleger nervös zu machen.

Doch so unruhig es aktuell zugeht: Wer auf ein klug aufgebautes ETF-Portfolio setzt, kann gelassen bleiben. Denn Indexfonds sind kein Glücksspiel, sondern ein Werkzeug. Die entscheidende Frage ist nur: Welcher ETF passt zu wem?

Zusammen mit sechs der erfahrensten Finanzplaner Deutschlands hat die InvestmentWeek deshalb neun ETF-Musterportfolios analysiert, die auf unterschiedliche Lebensphasen und Risikotypen zugeschnitten sind.

Das Ergebnis: Wer seine Risikoneigung realistisch einschätzt – und die Zeit mitbringt – kann mit ETFs systematisch Vermögen aufbauen. Ohne Hype. Ohne Panik.

Warum der MSCI World überschätzt ist

Es klingt so einfach: Ein ETF auf den MSCI World, und schon ist man breit gestreut investiert. Doch diese Logik greift zu kurz.

„Der MSCI World ist längst kein Weltportfolio mehr, sondern ein übergewichteter US-Tech-Index“, sagt Michael Huber vom VZ Vermögenszentrum.

Über 70 Prozent des Index entfallen auf Nordamerika, knapp 20 Prozent allein auf Apple, Microsoft, Amazon & Co.

Auch Martin Weber, emeritierter Finanzprofessor und ETF-Forscher, warnt im Gespräch mit der InvestmentWeek: „Ein einzelner Index reicht nicht aus, um Risiken sinnvoll zu streuen. Gerade in einem volatilen Marktumfeld sollte man sich nicht auf vergangene Erfolge verlassen.“

Die InvestmentWeek-Analyse zeigt: Wer Anlagehorizont und Risikobereitschaft berücksichtigt, fährt mit individuellen ETF-Portfolios langfristig besser als mit Standardlösungen.

Drei Risikoprofile – drei Lebensphasen – neun Portfolios

In der Analyse wurden die ETF-Strategien anhand zweier Leitfragen entwickelt:

  1. Wie risikobereit ist der Anleger?
  2. Wie lange bleibt das Geld investiert?

Daraus ergeben sich drei Profile: risikoscheu, ausgeglichen, risikofreudig – jeweils für junge Erwachsene, mittlere Lebensphase und spätes Berufsleben.

Für alle gilt: Wer sein Depot auf die persönliche Situation abstimmt, ist auch in Krisenzeiten nicht versucht, überhastet zu verkaufen – ein Kardinalfehler, den viele teuer bezahlen.

Sicherheit zuerst – das konservative Portfolio

Wer sein Risiko bewusst niedrig halten will – etwa, weil das Geld in einigen Jahren gebraucht wird –, fährt mit einem hohen Rentenfondsanteil besser.

Die Musterportfolios enthalten hier etwa nur 20 bis 30 Prozent Aktien-ETFs, ergänzt um inflationsgeschützte Staatsanleihen (TIPS), kurzlaufende Unternehmensanleihen oder auch Rohstoff-Bausteine.


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„Der größte Fehler konservativer Anleger ist nicht, zu wenig Rendite zu machen“, sagt Finanzplanerin Stefanie Kühn. „Sondern bei Marktschwankungen auszusteigen – und am Ende teurer wieder einzusteigen.“

Ausgewogen investieren – breit, aber nicht blind

Für die große Mehrheit der Anleger empfiehlt sich laut Analyse ein ausgeglichenes Verhältnis von Aktien und Anleihen – etwa 60:40. Hier setzen die Portfolios auf eine Kombination aus Weltaktien ex USA (z. B. MSCI ACWI ex US), Emerging Markets (z. B. FTSE Emerging) und europäischen Staatsanleihen mittlerer Laufzeit.

„Gerade Anleger in der Mitte des Lebens sollten sich nicht scheuen, 50 bis 60 Prozent in Aktien zu halten“, rät Marcel Reyers vom Finanzplanerverband FPSB. „Mit einem Anlagehorizont von zehn Jahren und mehr ist das gut vertretbar.“

Risikofreude lohnt sich – aber nur mit Zeit

Für risikofreudige Anleger mit langem Atem – etwa Berufseinsteiger oder Menschen mit hohem Einkommen und Rücklagen – bieten Aktienmärkte langfristig die höchsten Chancen. Das aggressive Portfolio setzt auf 100 Prozent Aktienquote, jedoch nicht einseitig.

Empfohlene Bausteine: ein globaler All-Country-Index (z. B. MSCI ACWI IMI), ergänzt um Small Caps, Schwellenländer und Rohstoff-ETFs. Auch Themen-ETFs spielen punktuell eine Rolle – etwa auf saubere Energie oder Digitalisierung –, aber nur als Beimischung unter 10 %.

Warum Zeit der wichtigste Renditehebel ist

Neben der Risikoneigung ist die verfügbare Zeit der zweite Schlüssel zum passenden ETF-Portfolio.

„Zeit heilt fast alle Kursschwankungen“, sagt Stefanie Kühn.

Selbst wer mit 60 in Rente geht, hat laut Statistik noch 20 Jahre vor sich – ein Zeitraum, der selbst tiefe Einbrüche wie 2008 oder 2020 auf lange Sicht nivelliert.

Wichtig sei laut Kühn jedoch: „Ein Tagesgeldpuffer für Notfälle ist Pflicht. Wer seine Waschmaschine mit Aktienverkäufen finanziert, hat schon verloren.“

So starten Anleger klug – und sparen unnötige Gebühren

Wer sich für ein Portfolio entscheidet, sollte auf Kriterien wie Fondskosten (TER), Fondsvolumen und Handelsliquidität achten. Große ETFs mit niedrigem TER und hoher Marktabdeckung – z. B. von iShares, Xtrackers oder Vanguard – sind erste Wahl. Unterschiedliche Anbieter führen oft denselben Index – hier entscheidet der Preis.

Kleiner Tipp der Redaktion: ETFs mit niedrigem Fondsvolumen laufen Gefahr, später geschlossen oder mit anderen verschmolzen zu werden – was zu ungewollten Steuereffekten führen kann.

Finger weg von Modetrends und aktiven ETFs

Alle befragten Expertinnen und Experten raten klar von „Marketing-ETFs“ ab – Fonds, die kurzfristige Trends wie Blockchain, Cannabis oder KI abbilden, aber kein solides Fundament haben. Ebenso kritisch sehen sie aktive ETFs, die durch menschliche Eingriffe oder Algorithmen den Markt schlagen wollen.

„Das ist Theorie. In der Praxis schaffen es nur wenige – und das meist nicht dauerhaft“, sagt Huber. „Klassische Indexfonds sind die bessere Wahl.“

Wer sich selbst kennt, investiert besser

ETF-Investments sind kein Selbstläufer – aber sie funktionieren, wenn sie zur Lebenslage passen. Die InvestmentWeek-Portfolios helfen Anlegern dabei, einen realistischen und robusten Fahrplan zu entwickeln. Sie ersetzen keine individuelle Beratung, bieten aber einen verlässlichen Ausgangspunkt.

Denn am Ende gilt: Wer nicht nur die Börse kennt, sondern auch sich selbst, hat langfristig die besseren Karten.

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