Die Krise trifft den Markt ungleich – und legt strukturelle Unterschiede offen
Offene Immobilienfonds galten jahrzehntelang als verlässliche Anlagebausteine. Doch die abrupten Abwertungen – sichtbar vor allem beim Uniimmo Wohnen ZBI – haben das gesamte Segment unter Generalverdacht gestellt. 11,8 Milliarden Euro haben Anleger bereits abgezogen. Dennoch zeigt der Blick auf die größten Fonds: Die Krise trifft nicht alle gleichermaßen. Einige Strategien bleiben bemerkenswert stabil, weil sie drei Prinzipien konsequent befolgt haben.
Die Steuerung der Mittelzuflüsse schützt vor Überhitzung
Stabilität beginnt nicht mit dem Portfolio, sondern weit früher: beim Eintritt neuer Gelder. Deka-Manager Esteban de Lope Fend beschreibt es nüchtern – man habe Zuflüsse bewusst begrenzt, um in der Hochpreisphase nicht „zu exponiert“ kaufen zu müssen. Diese Zurückhaltung wirkt nun wie ein Puffer. Die Deka-Fonds unter den Top Ten – Immobilien Europa, Immobilien Global und WestInvest InterSelect – mussten zwar Abwertungen hinnehmen, blieben aber handlungsfähig.
Die Zahlen bestätigen das Bild: Während Immobilien Europa binnen zwölf Monaten schrumpfte, verzeichnete der Global-Fonds leichte Zuflüsse, der WestInvest sogar einen deutlichen Anstieg. Über fünf Jahre liegt die Rendite zwischen 1,8 und 2,8 Prozent – und Scope vergibt für zwei der Fonds Ratings im A-Bereich. Die Strategie war nicht spektakulär, aber stabilisierend: wenige Käufe zu Spitzenpreisen, keine Überdehnung der Liquidität.

Die breite Diversifikation wirkt wie ein Stoßdämpfer
Die zweite Säule der Stabilität lautet: Breite vor Spezialisierung. Große Fonds, die über Zyklen hinweg gewachsen sind, verfügen über ein diversifiziertes Portfolio – geografisch, strukturell, mietvertraglich. Scope-Analystin Sonja Knorr sieht darin den entscheidenden Vorteil: hohe Vermietungsquoten, viele Mieter pro Objekt, unterschiedliche Nutzungsarten.
Der Hausinvest von Commerzreal zeigt exemplarisch, wie diese Strategie wirkt. Mit 163 Immobilien in 17 Ländern steht er trotz Krise stabil da. Büros in zentralen Lagen haben sich als widerstandsfähiger erwiesen, als viele erwartet hatten. Für das zweite Quartal meldet der Fonds die höchste Bürovermietung seit 2020. Über fünf Jahre erzielt Hausinvest 2,2 Prozent Rendite – kein Glanzwert, aber robust angesichts des Marktumfelds.
Die Liquidität entscheidet über die Krisenfestigkeit
Abflüsse bleiben eine Belastungsprobe. Beim Hausinvest flossen mehr als eine Milliarde Euro ab, doch die Liquiditätsreserve von knapp zwei Milliarden sorgte dafür, dass keine Notverkäufe nötig waren. Auch Deka-Fonds berichten von ausreichend Puffer. In einem Markt, in dem schnelle Verkäufe fast zwangsläufig zu Bewertungsverlusten führen, ist Liquidität derzeit das entscheidende Unterscheidungsmerkmal.
Warum junge und kleine Fonds besonders verwundbar sind
Die Schwäche jüngerer Fonds wie Uniimmo Wohnen ZBI oder KGAL Immosubstanz verweist auf ein strukturelles Problem: Wer in der Hochpreisphase aufbaute, trägt heute disproportionalen Schaden. Kleine Fonds besitzen zudem weniger Diversifikation und geringere Liquidität. KGAL hat mit vier Objekten kaum Spielraum, zeigt aber mit 3,2 Prozent Fünfjahresrendite, dass Stabilität selbst in engen Portfolios möglich ist – wenn das Management frühzeitig aufhört zu expandieren und Liquidität schont.
Doch für den Großteil der jungen Fonds gilt: Wer verkaufen muss, verliert. Und wer nicht wächst, bleibt ein Nischenprodukt.

Die ungelöste Grundsatzfrage bleibt: Liquidität trifft auf Illiquidität
Vermögensverwalter Gottfried Urban formuliert die Grundsatzkritik ohne Umschweife: Ein illiquider Markt lasse sich nicht in ein liquides Produkt pressen. Abschläge würden lange kaschiert, reale Marktpreise im Fondswert kaum sichtbar. Die Kündigungsfrist von zwölf Monaten entschärft das Problem, löst es aber nicht.
Urban sieht langfristig nur zwei Wege: Fonds institutionalisiert weiterführen – oder über die Zeit in börsennotierte Immobilienaktienfonds überführen, um Bewertungsrealität herzustellen. Die Fondsgesellschaften widersprechen und verweisen auf Studien wie jene der Irebs, die den Diversifikationsnutzen über zwei Jahrzehnte belegen. Doch auch diese Studie macht klar, dass der Zeithorizont entscheidend ist: Kurzfristig überwiegen Kosten, erst nach vielen Jahren entsteht Stabilität.
Zwei Hürden bremsen ein mögliches Comeback
Die Branche könnte sich schneller erholen – wären da nicht zwei Stolpersteine, die schwerer wiegen als jede einzelne Immobilienbewertung.
Erstens: der Rechtsstreit um die Risikoklasse des Uniimmo Wohnen ZBI. Sollte das OLG Nürnberg bestätigen, dass die Einstufung als „sicheres Produkt“ falsch war, wird Beratung komplizierter, Haftung relevanter – und der Vertrieb vorsichtiger. Eine EuGH-Vorabentscheidung steht bevor und verlängert die Unsicherheit.
Zweitens: die Rendite. Solange Tagesgeld und Geldmarktprodukte attraktiver sind, bleibt das strukturelle Argument für offene Immobilienfonds geschwächt. Die steuerliche Teilfreistellung hilft, ersetzt aber keine Performance.
Die Fonds brauchen mehr als Stabilität – sie brauchen ein neues Narrativ
Gating-Mechanismen, wie sie für Eltifs möglich sind, könnten kurzfristige Drucksituationen entschärfen. Auch die geplante Möglichkeit, erneuerbare Energien beizumischen, eröffnet Renditepotenziale und reduziert das Klumpenrisiko. Doch das allein wird das Segment nicht retten.
Die entscheidende Frage lautet: Trauen Anleger der Branche wieder zu, dass sie mehr ist als ein Speicher illiquider Vermögenswerte? Stabilität in der Krise ist ein Anfang. Aber erst wenn Fonds wieder sichtbar Rendite liefern und regulatorische Unsicherheiten verschwinden, lässt sich das Versprechen vom „soliden Fundament“ glaubwürdig erneuern.


