Umsatzwarnung, Konkurrenzdruck, Führungswechsel: Der dänische Pharmakonzern Novo Nordisk kämpft an mehreren Fronten – und enttäuscht die Börse mit einer radikalen Korrektur seiner Prognosen.
Wenn Hoffnungsträger zur Hypothek werden
Novo Nordisk hat den Diät-Hype an der Börse mit ausgelöst – und sich nun selbst daran verschluckt. Nachdem die dänische Pharmaikone mit den Abnehminjektionen Wegovy und dem Diabetes-Mittel Ozempic an der Börse Höhenflüge erlebt hatte, folgt nun der brutale Realitätsschock.
Der Konzern muss seine Jahresprognose zum zweiten Mal in wenigen Monaten deutlich nach unten revidieren – und das Vertrauen der Anleger leidet schwer: Die Aktie rauscht fast 23 Prozent in den Keller.
Gesund geschrumpft
Was wie eine leichte Korrektur klingt, hat es in sich: Das prognostizierte Umsatzwachstum für 2025 sinkt auf 8 bis 14 Prozent – im Mai waren es noch 13 bis 21 Prozent gewesen.
Noch schwerer wiegt die Prognosesenkung beim operativen Gewinn: Statt 16 bis 24 Prozent erwartet Novo Nordisk nur noch 10 bis 16 Prozent Zuwachs. Für ein Unternehmen, das sich jahrelang als Wachstumsmotor Europas inszeniert hat, ist das ein Bruch mit der eigenen Erfolgsstory.
Der Preisdruck wächst, die Geduld schwindet
Der Grund für die abrupte Kurskorrektur liegt im Herzstück der jüngsten Novo-Erzählung: dem US-Markt. Dort machen Generika-Hersteller und Apotheken, die unter dem Deckmantel des sogenannten „Compounding“ Wegovy-Kopien anbieten, zunehmend Druck.
Trotz regulatorischer Klarstellungen durch die US-Regierung setzt sich die illegale Praxis fort. Für Novo bedeutet das: Umsatzverluste, Imageschaden – und ein zunehmend undurchschaubares Marktumfeld.
Eli Lilly als Schatten – und Warnung
Der Erzrivale Eli Lilly lässt ebenfalls nicht locker. Mit seinem eigenen Präparat Mounjaro, das sowohl zur Gewichtsreduktion als auch zur Behandlung von Typ-2-Diabetes eingesetzt wird, erobert der US-Konzern Marktanteile – und das schneller als viele Analysten erwartet hatten.
Während Novo mit juristischen und regulatorischen Stolpersteinen kämpft, setzt Lilly auf aggressive Preisstrategien und eine reibungslosere Vertriebsstruktur in den USA.
Ein Vergleich der Aktienkurse spricht Bände: Während Novo über 20 Prozent verliert, kommt Eli Lilly mit einem deutlich milderen Minus davon.
Ein Führungswechsel mit Signalwirkung
Inmitten der Turbulenzen verkündet Novo Nordisk auch noch einen CEO-Wechsel – und das just in dem Moment, in dem Klarheit dringend gebraucht würde. Mit Wirkung zum 7. August übernimmt Maziar Mike Doustdar das Ruder, bislang verantwortlich für das internationale Geschäft.
Der bisherige CEO Lars Fruergaard Jørgensen muss gehen – sein vorzeitiger Abgang war bereits im Mai angekündigt worden, kam aber für viele Beobachter überraschend. Ob Doustdar als interner Nachfolger die Wende bringt, bleibt abzuwarten. Klar ist nur: Der Druck könnte kaum größer sein.
Die große Ungewissheit
Der Fall Novo Nordisk zeigt exemplarisch, wie brüchig Börsenfantasien sein können, wenn operative Risiken unterschätzt werden.
Die Adipositas-Medikamente galten als Lizenz zum Gelddrucken – doch Preisregulierung, Schwarzmarkt-Kopien und wachsender Wettbewerb bringen das Narrativ ins Wanken.
Analysten werden nun genau hinschauen, wie stark der Rückgang in den kommenden Quartalen wirklich ausfällt – und ob es dem neuen CEO gelingt, ein belastbares Gegen-Narrativ zu etablieren.
Die Botschaft ist eindeutig
Anleger verzeihen vieles – aber keine Überraschungen in Serie. Novo Nordisk hat sich in den vergangenen Jahren ein Premium-Renommee erarbeitet, sowohl operativ als auch an der Börse.
Doch wer Premium sein will, muss auch liefern. Und zwar verlässlich. Die nun verkündeten Zahlen und der abrupte Chefwechsel lassen Zweifel wachsen, ob Novo dieser Erwartung noch gerecht werden kann.