Nvidia liefert – aber die Märkte brauchen mehr als einen Tech-Giganten
An diesem Donnerstag konzentriert sich die Finanzwelt reflexartig auf Nvidia. Der wertvollste börsennotierte Konzern der Welt mit einer Marktkapitalisierung von 4,6 Billionen Dollar gilt inzwischen als Stimmungsbarometer für den gesamten KI-Sektor.
Marktbeobachter wie Luis Ruiz von CMC Markets sprechen sogar von einem „entscheidenden Event“ – ein Ausdruck, der viel über den Zustand der Märkte verrät. Wenn ein einzelnes Unternehmen derart stark die Richtung vorgibt, ist das weniger ein Zeichen von Stärke als ein Indikator dafür, wie punktuell sich Kapitalströme längst verteilen.

Doch während Anleger erneut prüfen, ob Nvidia weiteres Wachstum rechtfertigen kann, wartet im Schatten des Hypes ein Signal, das weit mehr über die kommenden Monate aussagt: die US-Arbeitsmarktdaten.
Der Bericht, der sechs Wochen verspätet kommt – und die Fed entscheiden lässt
Eigentlich hätte der Arbeitsmarktbericht für September längst veröffentlicht sein müssen. Doch die 43-tägige US-Haushaltssperre legte weite Teile der Statistikbehörden lahm. Nun erscheint der Bericht mit einer Verzögerung von fast sechs Wochen – und damit in einer Phase, in der die US-Zentralbank auf klare Daten angewiesen ist.
Denn der Arbeitsmarkt ist der entscheidende Faktor für die kommenden Schritte der Federal Reserve. Tiffany Wilding, Ökonomin beim Fondshaus Pimco, bringt es auf den Punkt: „Der Arbeitsmarkt bleibt der Schlüssel für künftige Entscheidungen der Fed.“
Die Fed hat die Zinsen Ende Oktober gesenkt – ohne die offiziellen Arbeitsmarktzahlen zu kennen. Ein geldpolitischer Blindflug, der zeigt, wie ungewöhnlich die Lage ist. Jetzt hängt viel davon ab, was der verspätete Bericht offenbart.

Ein Arbeitsmarkt, der sich erholt – aber nicht genug
Die Erwartungen sind verhalten optimistisch. Für September rechnen Ökonomen mit etwa 75.000 neu geschaffenen Stellen außerhalb der Landwirtschaft. Das wäre ein Anstieg – aber immer noch deutlich unter dem, was nötig wäre, um die wachsende erwerbsfähige Bevölkerung zu versorgen.
Ökonomisch gilt eine Zahl von rund 100.000 neuen Stellen pro Monat als Mindestniveau, damit der Arbeitsmarkt nicht erodiert. Im August waren es nur 22.000 gewesen – der schwächste Wert seit Langem.
Damit zeigt sich ein Muster: Die US-Wirtschaft ist nicht in einer Krise, aber sie befindet sich auch nicht mehr in einer robusten Expansionsphase. Für die Märkte ist diese Zone der Unsicherheit toxisch – und macht jede Zahl bedeutend.
Was die Fed tun könnte – und was die Märkte hoffen
Die Wahrscheinlichkeit für eine weitere Zinssenkung am 10. Dezember wurde an den Terminmärkten zuletzt halbiert. Viele Investoren hatten darauf gesetzt, dass die Fed den Lockerungskurs fortsetzt, um die Wirtschaft zu stabilisieren.
Doch ohne klare Daten blieb Fed-Chef Jerome Powell zurückhaltend. Die Banken – darunter die Commerzbank – sehen darin einen der Hauptgründe für die jüngsten, vorsichtigen Töne an den Märkten.
Schwächere Arbeitsmarktdaten könnten nun genau das bringen, was Tech-Bewertungen und Risikoanlagen zuletzt dringend gebraucht hätten: neue Hoffnung auf sinkende Zinsen. Und das unabhängig davon, ob Nvidia die Erwartungen übertrifft oder nur erfüllt.
Die eigentliche Botschaft dieses Tages
Der Donnerstag mag auf den ersten Blick Nvidia gehören. Doch für die globale Wirtschaft, die Finanzpolitik der USA und die Bewertung der Weltbörsen ist ein anderer Datensatz heute bedeutsamer: der Zustand des US-Arbeitsmarktes.
Denn Nvidia zeigt, wie stark einzelne Sektoren wachsen können.
Die Arbeitsmarktdaten zeigen, wie tragfähig die gesamte Wirtschaft ist.
Und am Ende entscheidet nicht ein einzelnes Quartal eines Tech-Giganten über die kommenden Monate – sondern die Antwort auf die Frage, ob die US-Wirtschaft genug Dynamik hat, um höhere Zinsen auszuhalten.
Oder ob sie eine helfende Hand der Fed nötig hat.



