Mit 14 Airlines und Dutzenden Töchtern ist Lufthansa einer der am stärksten fragmentierten Airline-Konzerne Europas.
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Was hinter dem Lufthansa Projekt „Matrix Next Level“ steckt
14 Airlines, zu viele Prozesse, unklare Zuständigkeiten – mit einem Milliardenprojekt will CEO Spohr nun die Konzernstruktur entrümpeln. Was auf Belegschaft, Kunden und Investoren wirklich zukommt.
Der Lufthansa-Konzern steht vor der wohl tiefgreifendsten Neuorganisation seit Jahrzehnten. Unter dem internen Codenamen „Matrix Next Level“ plant Deutschlands größte Airline-Gruppe einen grundlegenden Umbau ihrer Unternehmensstruktur.
Ziel: weniger Komplexität, mehr Effizienz – und endlich wieder wettbewerbsfähige Margen. Hinter dem Buzzword steckt ein klarer Plan: Standardisierung, Zentralisierung und Synergien über alle Marken hinweg.
14 Airlines, eine Konzernzentrale – Chaos vorprogrammiert
Lufthansa betreibt inzwischen zwölf Passagier- und zwei Frachtfluggesellschaften. Dazu kommen Dutzende Tochterfirmen – von der Wartung über die IT bis zum Innovations-Hub.
Was einmal als Stärke galt, entwickelt sich zunehmend zum Nachteil: zu viele Strukturen, zu wenig Integration, zu hohe Kosten.
Die Folge: 2024 sackte das bereinigte EBIT um rund eine Milliarde Euro ab. Die Kernmarke Lufthansa Airlines rutschte sogar mit 94 Millionen Euro ins Minus.
McKinsey räumt auf – vorerst
Der Neustart trägt unverkennbar die Handschrift von McKinsey. Die Berater haben nicht nur das „Target Operating Model“ geliefert, sondern saßen monatelang direkt neben dem Vorstand im Lufthansa Aviation Center.
Inzwischen ist das Mandat ausgelaufen – jetzt soll der Konzern das Projekt aus eigener Kraft umsetzen. Und zwar zügig.
Das Projekt „Matrix Next Level“ betrifft unter anderem die Verwaltung von 7000 IT-Mitarbeitern im Konzern.
Noch im Mai steht eine Strategieklausur mit dem Vorstand an, bei der das neue Strukturmodell diskutiert und finalisiert werden soll.
„One IT“, „One Admin“, „One Excellence“ – das steckt hinter den Buzzwords
Der Umbau gliedert sich in mehrere Teilprojekte. Das Ziel: die Konzernbereiche vereinheitlichen und Reibungsverluste abbauen.
„One IT“ soll die zahllosen IT-Silos – von Lufthansa Systems über ZeroG bis zum Digital Hangar – zu einer funktionierenden Infrastruktur zusammenschweißen. Technikvorständin Grazia Vittadini verantwortet diesen heiklen Bereich. Rund 7000 Mitarbeiter sind betroffen.
„One Admin“ konzentriert sich auf die Verwaltung: gemeinsame Standards, schlankere Prozesse, weniger Schnittstellen.
„One Excellence“ kümmert sich um die operative Qualität – konkret um effizientere Abläufe im Flugbetrieb, aber auch um eine klarere Markenstrategie. Verantwortlich ist CCO Dieter Vranckx.
Spohr will die „Matrix“ auflösen – aber wie viel bleibt übrig?
Der Begriff „Matrix“ stammt noch aus der Zeit, als McKinsey erstmals die Konzernstruktur modellierte: funktionsübergreifend, dezentral, angeblich flexibel.
In der Realität führte das Modell aber zu unklaren Zuständigkeiten und massiven Schnittstellenproblemen – gerade in der IT, aber auch bei den operativen Einheiten. Jetzt will Spohr weg davon.
Ziel ist ein System, in dem Kompetenzen klar zugewiesen und Prozesse durchgängig steuerbar sind.
Dachmarke kommt – Identitäten bleiben
Ein zentrales Element: die Einführung einer Lufthansa-Dachmarke. Zwar sollen nationale Marken wie Swiss oder Austrian erhalten bleiben. Doch die gesamte Customer Experience – vom Lounge-Branding bis zum Flugzeugheck – wird künftig unter dem Claim „Lufthansa Group“ vereint.
Spohr spricht von „einem spürbar einheitlichen Kundenerlebnis“. Das ist kein Zufall: Rund 50 Prozent aller Umsteiger nutzen heute mehr als eine Airline der Gruppe. Wer dort Vereinheitlichung schafft, spart Geld – und erhöht die Loyalität.
Investorendruck wächst – und wird zum Beschleuniger
Die Aktienmärkte haben längst reagiert. Während Wettbewerber wie IAG seit Anfang 2024 über 100 % an Wert gewonnen haben, verlor Lufthansa im selben Zeitraum rund 16 %.
Auch Großaktionär Klaus-Michael Kühne und DWS-Verantwortliche wie Hendrik Schmidt machen Druck. Ihre Botschaft: weniger reden, mehr liefern.
Lufthansa-Chef Spohr kontert mit dem Hinweis auf Standortnachteile in Deutschland – höhere Gebühren, teure Sicherheit. Doch diese Erklärung greift zunehmend zu kurz.
Digitale Vision, reale Zweifel
Vor allem die Digitalstrategie sorgt intern für Stirnrunzeln. Projekte wie der „Digital Hangar“ klingen ambitioniert, blieben aber bisher oft hinter den kommerziellen Erwartungen zurück.
Selbst Top-Manager räumen ein: „Die Ideen sind gut, aber sie lassen sich zu selten kapitalisieren.“ Die Frage, ob solche Einheiten in der jetzigen Form überleben, wird bereits laut diskutiert.
Verunsicherung in der Belegschaft – Veränderung mit Ansage
Gerade im IT-Bereich wächst der Unmut. Viele Mitarbeiter fragen sich, ob ihre Rolle nach dem Umbau überhaupt noch existiert – oder ausgelagert wird.
Das Management versucht zu beruhigen, betont aber gleichzeitig die Notwendigkeit zur Veränderung. „Es geht nicht mehr um kleine Optimierungen. Es geht um die Zukunftsfähigkeit des Konzerns“, heißt es aus Kreisen des Aufsichtsrats.
Der Umbau ist überfällig – und überlebenswichtig
Was Lufthansa jetzt anstößt, ist keine kosmetische Korrektur, sondern ein tiefgreifender Richtungswechsel.
„Matrix Next Level“ könnte das sein, was dem Konzern hilft, wieder auf Augenhöhe mit der Konkurrenz zu kommen – oder das Projekt, an dem sich zeigt, wie schwer es Großkonzerne heute noch haben, echte Agilität herzustellen.
Für CEO Carsten Spohr ist klar: Das ist sein Vermächtnisprojekt. Ob es gelingt, wird nicht in Workshops in Seeheim entschieden – sondern bei Pünktlichkeit, Margen und Kundenzufriedenheit.