18. November, 2025

Krypto

Warum Mining-Aktien steigen, obwohl Bitcoin fällt

Der jüngste Rücksetzer am Kryptomarkt trifft den Bitcoin hart – doch ausgerechnet die Unternehmen, deren Geschäftsmodell am engsten an den Kurs gebunden ist, eilen an der Börse davon. Was nach einem Widerspruch klingt, offenbart einen tiefgreifenden Wandel der Mining-Branche.

Warum Mining-Aktien steigen, obwohl Bitcoin fällt
Mining-Aktien profitieren vom strukturellen Wandel der Branche: sinkende Produktionskosten, ETF-Zuflüsse und der Ausbau in Energie- und KI-Infrastruktur machen die Unternehmen deutlich unabhängiger vom kurzfristigen Bitcoin-Kurs.

Kaum hatte Bitcoin sein Allzeithoch bei rund 126.000 US-Dollar erreicht, setzte eine Korrektur ein, die den Kurs zeitweise unter die Marke von 100.000 US-Dollar drückte. Der gesamte Kryptomarkt büßte seit Anfang Oktober rund 16 Prozent ein – ein typischer Zyklus, wie ihn Anleger seit Jahren kennen. Doch diesmal läuft ein zentrales Segment der Branche quer zum Trend: Die Aktien großer Bitcoin-Miner steigen.

Während der Basiswert seit Jahresbeginn lediglich um rund neun Prozent zugelegt hat, verbuchen börsennotierte Miner teils spektakuläre Gewinne. Iris Energy legte über 500 Prozent zu. Marathon Digital und Riot Platforms schlagen selbst in der Korrektur den S&P-500. Ein paradoxes Bild – wäre da nicht ein Strukturwandel, der die Branche gerade neu definiert.

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Die neue Infrastrukturindustrie

Was noch vor wenigen Jahren als hochspekulative Nischenwette galt, hat sich zu einer kapitalstarken digitalen Infrastrukturbranche entwickelt. Die großen Player – Marathon Digital, Riot Platforms, CleanSpark oder Iris Energy – betreiben Rechenzentren im industriellen Maßstab, sichern langfristige Energieverträge und arbeiten mit Margen, die klassischen Industriekonzernen kaum noch geläufig sind.

Gewinnspannen von 40 bis über 50 Prozent sind inzwischen keine Ausnahme mehr. Die gemeinsame Marktkapitalisierung der führenden Miner überschritt zuletzt 80 Milliarden US-Dollar. Und: Die Unternehmen sitzen mittlerweile auf rund 120.000 selbst geschürften Bitcoin – ein Bestand, der sie in die Liga großer institutioneller Halter katapultiert.

Mining ist damit nicht länger nur das Bereitstellen von Rechenleistung. Es ist Energiegeschäft, Infrastrukturwirtschaft und zunehmend auch Tech-Industrie.

Operativer Hebel – der unterschätzte Turbo

Dass Miner in fallenden Märkten zulegen können, hat eine einfache ökonomische Logik: Ihren Gewinn bestimmen nicht volatile Bitcoin-Preise, sondern die Lücke zwischen Produktionskosten und Marktpreis.

Für viele große Miner liegen die Kosten pro Bitcoin heute zwischen 35.000 und 45.000 US-Dollar. Selbst nach der jüngsten Korrektur bleibt der Kurs sehr deutlich darüber. Fällt der Bitcoin-Preis leicht, schadet das kaum. Steigt er nur moderat, explodieren die Margen.

Dieser operative Hebel erklärt, warum selbst im Abschwung ein Marathon Digital oder eine Iris Energy weiterläuft wie eine gut geölte Maschine. Effizientere Chips, günstigere Energieverträge und ein professionelles Risikomanagement stabilisieren das Modell – und machen die Miner weniger anfällig für kurzfristige Preisschwächen als früher.

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ETF-Zuflüsse: „Bitcoin plus“ für Anleger

Seit der Zulassung der Bitcoin-Spot-ETFs 2024 hat sich das institutionelle Kapital in Richtung Mining-Aktien verschoben. Vermögensverwalter betrachten Miner zunehmend als „Bitcoin mit Hebel“ – ohne Wallets, ohne direkte Regulierungshürden.

ETFs wie der Global X Blockchain ETF oder der WGMI ETF haben erhebliche Mittelzuflüsse verzeichnet. Viele dieser Fonds gewichten Miner bewusst über – weil sie strukturell stärker wachsen als der Token selbst. Das Resultat: Mining-Aktien erhalten Kapitalströme, die vom Bitcoin-Kurs entkoppelt sind.

Energie, Daten, KI – eine Branche erfindet sich neu

Parallel zur finanziellen Professionalisierung entsteht ein zweiter Trend: Große Miner wandern in die Strom- und Rechenzentrumsindustrie hinein.

Riot Platforms in Texas verdient teils mehr mit Stromgutschriften als mit dem eigentlichen Mining – weil das Unternehmen flexibel Kapazitäten vom Netz nimmt, wenn der Energiebedarf in der Region steigt. Iris Energy und Core Scientific investieren massiv in High-Performance-Computing für KI-Anwendungen. Wo früher Nuggets aus Blockchain-Blöcken geschürft wurden, entstehen heute Rechenfabriken, die auch GPT-Modelle trainieren könnten.

Bitcoin-Mining wird so zum Vorläufer einer neuen Klasse digitaler Infrastruktur: halb Energieversorger, halb Tech-Dienstleister.

Der Blick hinter die Kurstafeln

Dass Mining-Aktien Bitcoin phasenweise überholen, ist also kein Zufall, sondern das Resultat eines tiefgreifenden Wandels:

  • Geringere Produktionskosten sichern stabile Margen.
  • Operativer Hebel sorgt für überproportionale Gewinne bei moderaten Kurssteigerungen.
  • ETF-Zuflüsse schaffen neuen, dauerhaften Kapitaldruck.
  • Diversifizierte Geschäftsmodelle entkoppeln Miner schrittweise vom Bitcoin-Kurs.
  • Energie- und KI-Infrastruktur öffnet das Tor zu zusätzlichen Ertragsquellen.

Mehr als ein Abbild von Bitcoin

Natürlich bleibt die Abhängigkeit von Bitcoin bestehen. Ein extremer Preiseinbruch würde auch Miner hart treffen – daran ändert keine Innovation etwas. Doch die vergangenen Monate zeigen: Die Branche ist reifer, kapitalstärker, flexibler und strategisch breiter aufgestellt als je zuvor.

Wer die Infrastruktur hinter Bitcoin kontrolliert, kontrolliert einen Teil der künftigen digitalen Energie- und Datenwirtschaft. Und damit einen Markt, der weit größer ist als der Bitcoin selbst.

Die eigentliche Frage lautet daher nicht mehr, warum Miner steigen, wenn Bitcoin fällt.
Sondern: Wie lange sie noch als Randfigur der Kryptoökonomie betrachtet werden – statt als Kern einer neuen Energie- und Infrastrukturindustrie.

Michael C. Jakob — Founder of Atlas Capital Management
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