05. Juni, 2025

Politik

Warum jeder fünfte Muslim in Deutschland als radikalisierungsgefährdet gilt

Eine neue Studie der Universität Münster legt offen, wie emotionale Verletzbarkeit, politische Frustration und ein autoritäres Religionsverständnis Radikalisierung begünstigen – und warum es über eine Million Menschen betreffen könnte.

Warum jeder fünfte Muslim in Deutschland als radikalisierungsgefährdet gilt
Rund 300.000 Muslime mit Migrationshintergrund in Deutschland halten Gewalt zur „Verteidigung muslimischer Interessen“ für gerechtfertigt – ein besorgniserregendes Ergebnis der Untersuchung.

Kein Verfassungsschutzbericht, kein Polizeieinsatz – sondern ein Blick ins Innere. Die Universität Münster hat mit einer bislang unveröffentlichten Erhebung zur politischen und emotionalen Haltung von Muslimen mit Migrationshintergrund ein heikles Thema wissenschaftlich aufgearbeitet.

Die Ergebnisse sind besorgniserregend: Fast 20 Prozent der Befragten zeigen laut der Studie eine psychische Disposition, die Radikalisierung begünstigen kann – hochgerechnet über eine Million Menschen.

Studie mit Tiefgang: Was untersucht wurde

Die Forschungsstelle Islam und Politik unter der Leitung des renommierten Theologen Mouhanad Khorchide befragte zwischen Juli 2023 und April 2024 insgesamt 1.887 Muslime in Deutschland.

Die Forscher identifizierten bei 19,9 % ein psychologisches Muster, das sie als „Ressentiment“ bezeichnen. Es ist gekennzeichnet durch emotionale Kränkung, mangelnde Kritikfähigkeit, autoritäre Religionsverständnisse sowie antiwestliche und antisemitische Feindbilder.

„Mit dieser Affektlage konnten wir einen neuen und starken Radikalisierungsfaktor aufdecken“, sagt die Religionspsychologin Sarah Demmrich, Mitautorin der Studie.

Die Forscher sprechen dabei nicht von aktiver Radikalisierung, sondern von einer inneren Haltung, die für islamistischen Extremismus anfällig machen kann.

Vom Groll zur Gewalt: Was wirklich hinter dem „Ressentiment“ steckt

Die Autoren analysieren, dass viele dieser Menschen das Gefühl teilen, im westlich geprägten Deutschland dauerhaft nicht respektiert oder ausgeschlossen zu sein – sozial wie kulturell.

Dieses persönliche Unrecht, kombiniert mit einer politischen Interpretation des Islams, schaffe Nährboden für gewaltlegitimierende Überzeugungen.

Rund ein Drittel dieser „Ressentiment-Gruppe“ – das wären statistisch über 300.000 Menschen – hält Gewalt zur Verteidigung muslimischer Interessen für gerechtfertigt. Jeder Zehnte innerhalb dieser Gruppe gibt sogar an, selbst Gewalt anwenden zu wollen. Das entspräche rechnerisch rund 100.000 Personen.

Laut der Studie der Universität Münster betrifft das rund 1 Million Menschen – viele von ihnen lehnen demokratische Grundprinzipien ab und befürworten autoritäre Religionsmodelle.

Die politische Dimension: Ablehnung demokratischer Werte

Ein weiterer alarmierender Befund: Viele Befragte, die dem beschriebenen Ressentiment-Muster entsprechen, lehnen die Trennung von Religion und Politik ab.

Der Islam soll aus ihrer Sicht „die einzige und letztgültige politische Autorität“ darstellen. Auch islamische Rechtsnormen (Scharia) werden von einem Teil der Gruppe über deutsches Recht gestellt – ein klarer Bruch mit den Prinzipien eines säkularen Rechtsstaates.

Warum diese Studie so brisant ist

Die Studie rückt erstmals die emotionale Ausgangslage potenzieller Radikalisierung in den Fokus – nicht nur ideologische Aspekte. Es geht also weniger um die reine Lehre, sondern um ein psychosoziales Klima der Kränkung und Identitätskonflikte.

In Zeiten, in denen Integrationsdebatten oft an der Oberfläche kratzen, bringt die Forschung aus Münster eine tiefere, unbequeme Ebene in die Diskussion.

Besonders bemerkenswert: Die Autoren selbst stammen aus der islamischen Theologie und Religionspsychologie – es ist also keine außenstehende Analyse, sondern eine innerislamische Reflexion. Das verleiht der Studie sowohl Glaubwürdigkeit als auch Sprengkraft.

Was jetzt nötig ist

Die Forscher fordern eine stärkere Förderung innerislamischer Debattenkultur und mehr Räume für kritisches Nachdenken innerhalb muslimischer Communities. Es gehe nicht darum, Religion zu diskreditieren, sondern Selbstreflexion und demokratische Bildung zu stärken – um Radikalisierung zu verhindern, bevor sie beginnt.

Ob das gelingt, hängt auch von Politik und Gesellschaft ab. Denn ohne ernsthafte Investitionen in Bildung, soziale Teilhabe und Aufklärung bleibt es bei warnenden Studien – und der gefährlich große Nährboden für Extremismus bleibt bestehen.

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