20. Dezember, 2025

Börse

Warum IPOs selten günstig sind – und wie Anleger trotzdem sauber bewerten

Börsengänge versprechen Wachstum, Aufmerksamkeit und schnelle Gewinne. Doch gerade vor dem IPO entscheidet sich, ob Anleger investieren oder spekulieren. Wer ein Unternehmen richtig bewertet, erkennt früh, wann Vorsicht geboten ist.

Warum IPOs selten günstig sind – und wie Anleger trotzdem sauber bewerten
Börsengänge locken mit Wachstum, sind aber oft teuer. Wer ein Unternehmen vor dem IPO richtig bewertet, vermeidet kostspielige Fehlgriffe.

Ein Börsengang ist kein Schnäppchenmarkt. Er ist ein Verkaufstermin. Unternehmen gehen dann an die Börse, wenn Stimmung, Nachfrage und Bewertungen günstig sind – selten, wenn Aktien billig wirken. Für Anleger beginnt das Risiko daher nicht nach dem IPO, sondern davor. Wer verstehen will, ob ein Börsengang attraktiv ist, muss tiefer schauen als auf Story, Hype und Zeichnungsfrist.

Informationsasymmetrie ist der Normalzustand

Vor einem IPO wissen manche mehr als andere – und das ist systembedingt. Die entscheidenden Details zur Bewertung, zur Preisspanne und zur Platzierungslogik liegen bei den Konsortialbanken und institutionellen Investoren. Privatanleger sehen am Ende das Ergebnis, nicht den Prozess.

Das macht gründliche Vorbereitung umso wichtiger. Wer ohne eigene Analyse zeichnet, vertraut implizit darauf, dass andere fair gepreist haben. Historisch ist das eine gewagte Annahme.

Umsatz ist nicht gleich Substanz

Der erste Blick gilt den harten Zahlen: Umsatzentwicklung, Margen, Cashflow, Bilanzstruktur. Gerade bei jungen Unternehmen fehlt oft die Historie – das ist kein Makel, aber ein Risiko. Entscheidend ist, ob Wachstum mit Kapitaldisziplin einhergeht oder ob Verluste strukturell sind.

Besonders wichtig: der operative Cashflow. Viele IPO-Kandidaten wachsen schnell, verbrennen aber dauerhaft Geld. Wer hier investiert, wettet nicht auf ein Geschäft, sondern auf Zeit und Kapitalzufuhr.

Der Markt bestimmt den Preis, nicht die Logik

IPO-Bewertungen entstehen nicht im Rechenmodell, sondern im Orderbuch. Ist die Nachfrage hoch, steigt die Bewertung – unabhängig davon, ob sie fundamental gerechtfertigt ist. Deshalb können zwei sehr ähnliche Unternehmen je nach Marktphase völlig unterschiedlich bewertet werden.

Die Geschichte liefert warnende Beispiele. Während der Dotcom-Blase um 2000 reichten Schlagworte und Visionen für Milliardenbewertungen. Der Markt hat das später korrigiert – schmerzhaft.

Der Vergleich mit der Peer Group ist Pflicht

Ein zentraler Schritt jeder IPO-Analyse ist der Branchenvergleich. Wie werden etablierte Wettbewerber bewertet? Welche Multiples sind üblich – und warum? Wenn ein Börsenneuling deutlich höhere Bewertungsaufschläge verlangt, muss das durch überdurchschnittliches Wachstum, technologische Vorteile oder strukturelle Skalierung erklärbar sein.

Fehlt diese Begründung, ist der Aufpreis meist nur Euphorie.

Wachstum ist kein Freifahrtschein

Nahezu jeder Börsengang wird mit Wachstum begründet. Doch Wachstum ist kein Wert an sich. Entscheidend ist, ob es profitabel, finanzierbar und nachhaltig ist. Gerade junge Unternehmen versprechen Expansion, ohne klar zu zeigen, wie diese finanziert und gesteuert werden soll.

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Der eigentliche Sinn eines IPOs besteht darin, Kapital für Wachstum zu beschaffen. Anleger sollten daher genau prüfen, wofür das Geld eingesetzt wird – und ob das Geschäftsmodell diesen Einsatz rechtfertigt.

Die Story kann tragen, aber nicht dauerhaft

Neben Zahlen spielt die Erzählung eine Rolle. Vision, Gründer, Produktidee, Marktgröße – all das beeinflusst die Wahrnehmung. Besonders im Technologiesektor kann eine gute Story kurzfristig hohe Bewertungen rechtfertigen.

Langfristig jedoch setzt sich Substanz durch. Wenn operative Fortschritte hinter den Erwartungen zurückbleiben, korrigiert der Markt die Geschichte gnadenlos.

IPOs finden selten im Pessimismus statt

Ein strukturelles Risiko bleibt: Börsengänge kommen bevorzugt in freundlichen Marktphasen. Wenn Risikobereitschaft hoch ist, steigt die Bereitschaft, ambitionierte Bewertungen zu akzeptieren. Für Value-orientierte Anleger ist das ein Warnsignal.

Statistisch sind viele IPOs eher zu teuer als zu günstig. Das bedeutet nicht, dass sie schlechte Investments sind – aber dass der Einstiegspreis entscheidend ist.

Disziplin schützt vor teuren Fehlern

Am Ende unterscheidet sich die Bewertung eines IPOs nicht grundsätzlich von der Analyse eines börsennotierten Unternehmens. Cashflow, Bilanz, Rentabilität, Marktposition – all das zählt auch hier. Der Unterschied liegt im Unsicherheitsgrad.

Wer diese Unsicherheit ignoriert und sich von Euphorie treiben lässt, spekuliert. Wer sie einpreist und konsequent bewertet, investiert.

Oder, wie es Warren Buffett einmal formulierte: Man muss nicht jedes Spiel mitspielen – vor allem nicht die dummen.

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