Während sich die Aufmerksamkeit der Welt auf Grafikprozessoren und Trainingsmodelle richtet, wächst im Hintergrund ein Geschäft, ohne das kein einziges KI-System laufen würde. Rechenzentren brauchen Strom. Sehr viel Strom. Und sie brauchen ihn stabil, effizient und verlustarm. Genau hier hat sich Infineon eine Position erarbeitet, die dem Konzern zum stillen Gewinner des KI-Booms macht.
2025 war für Infineon auf den ersten Blick kein Glanzjahr. Der Umsatz sank im Ende September abgeschlossenen Geschäftsjahr um zwei Prozent auf knapp 14,7 Milliarden Euro, der Gewinn nach Steuern brach um 22 Prozent auf rund eine Milliarde Euro ein. Schwächelnde Nachfrage aus der Autoindustrie und ein Rückgang im Geschäft mit erneuerbaren Energien drückten auf die Zahlen.
Doch unter der Oberfläche zeigt sich eine andere Dynamik.

KI-Rechenzentren treiben ein verborgenes Wachstum
Während Automobilkunden zögerten, explodierte ein anderes Segment: Chips für die Stromversorgung von KI-Servern. Rund 700 Millionen Euro Umsatz erzielte Infineon 2025 allein in diesem Bereich – etwa dreimal so viel wie im Vorjahr. Für 2026 stellt der Konzern rund 1,5 Milliarden Euro in Aussicht. Und das, obwohl Vorstandschef Jochen Hanebeck insgesamt nur von einem „moderaten“ Wachstum ausgeht.
Der Hintergrund ist offensichtlich. Anbieter wie OpenAI oder Cloud-Konzerne wie Oracle kündigen im Wochenrhythmus neue Rechenzentren an. Millionen Prozessoren, gewaltige Kühlanlagen, kilometerlange Stromschienen. Die Kosten für Energieeffizienz entscheiden zunehmend über die Wirtschaftlichkeit dieser Anlagen.
Leistungshalbleiter werden zum Engpass
Genau hier liegt Infineons Stärke. Der Konzern ist seit Jahrzehnten führend bei sogenannten Leistungshalbleitern. Diese Chips verarbeiten keine Daten, sie regeln Strom. Sie schalten Spannungen, wandeln Energie um und minimieren Verluste. Ohne sie laufen weder Server noch Netzteile stabil.
Während Anbieter wie Nvidia und AMD mit ihren Hochleistungsprozessoren im Rampenlicht stehen, operiert Infineon tiefer in der Infrastruktur – aber mit mindestens ebenso hoher Eintrittsbarriere.

Peter Wawer, Leiter der Division Green Industrial Power, bringt es intern so auf den Punkt: Der Konzern erntet heute die Investitionen der vergangenen 20 Jahre. Infineon habe früh und kontinuierlich in Effizienz, Materialforschung und Fertigungstiefe investiert.
Ultradünnes Silizium senkt Energieverluste
Ein Schlüsselprodukt kam im Herbst 2024 auf den Markt: ultradünne Siliziumwafer mit nur 0,02 Millimetern Dicke. Sie sind so flexibel wie Aluminiumfolie – und halbieren den elektrischen Widerstand gegenüber der Vorgängergeneration. Der Effekt ist messbar: Der Energieverlust in Stromversorgungschips für Rechenzentren sinkt um rund 15 Prozent.
In einer Branche, in der jedes Prozent Effizienz über Millionenbeträge entscheidet, ist das ein starkes Verkaufsargument. Zumal Infineon nicht bei Silizium stehen bleibt.
Drei Materialien, ein Systemansatz
Neben klassischen Siliziumchips produziert der Konzern Leistungshalbleiter aus Siliziumkarbid (SiC) und Galliumnitrid (GaN). Diese Materialien spielen ihre Vorteile bei hohen Temperaturen und Spannungen aus. Bei Siliziumkarbid ist die leitende Schicht nur ein Zehntel so dick wie bei Silizium, die Verluste sinken um ein Vielfaches.
Für Betreiber von Rechenzentren bedeutet das Flexibilität. Je nach Einsatzort – vom Stromnetz über die Verteilung bis zum Serverrack – können unterschiedliche Materialien eingesetzt werden. Infineon positioniert sich dabei als einziger Anbieter, der diese gesamte Kette abdeckt.
Intern spricht man vom Ansatz „from grid to core“: von der Energieerzeugung über Übertragung und Verteilung bis zur Stromversorgung direkt am Prozessor.
Marktpotenzial bis 2030 ist enorm
Der Konzern selbst schätzt das adressierbare Marktvolumen für KI-Stromversorgung bis zum Ende des Jahrzehnts auf acht bis zwölf Milliarden Euro jährlich. Infineon will davon 30 bis 40 Prozent halten – und langfristig verteidigen.
Analysten halten das nicht für überzogen. Dirk Schlamp von der DZ Bank spricht von einem deutlich angehobenen KI-Wachstumspfad. Auch Aktivitäten im Bereich Quantencomputing würden das Bild abrunden, operativ entscheidend bleibe jedoch die Dynamik im Leistungs- und Versorgungsstrang der Rechenzentren.
Malte Schaumann von Warburg Research rechnet vor, was das bedeutet: Bis 2030 könnte sich der Umsatz in diesem Segment nochmals verdoppeln. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate läge dann bei rund 25 Prozent. Der Anteil des KI-Power-Geschäfts am Konzernumsatz würde von aktuell etwa fünf Prozent auf rund 15 Prozent steigen.
Infineon profitiert von Ausgleichseffekten
Der vielleicht wichtigste Punkt für Investoren liegt in der Struktur des Geschäfts. Infineon ist nicht vom KI-Boom abhängig – profitiert aber überproportional davon. Schwächen im Automobil- oder Solarsektor lassen sich durch das Wachstum bei Rechenzentren abfedern.
Das macht den Konzern weniger spektakulär als reine KI-Storys, aber robuster. Infineon liefert keine Rechenpower, sondern Zuverlässigkeit. Keine Algorithmen, sondern Effizienz. Und genau das wird mit jedem neuen Rechenzentrum wertvoller.
Der KI-Boom wird noch Jahre anhalten. Die Stromrechnung dafür landet zunehmend in München.



