31. Mai, 2025

Finanzen

Warum Finfluencer unreguliert Millionen beeinflussen dürfen

Obwohl sie mit konkreten Tipps ganze Generationen in riskante Geldanlagen lenken, gelten Finfluencer rechtlich nicht als Berater. Die BaFin sieht keinen Handlungsbedarf – der BVK spricht von einem eklatanten Versäumnis beim Verbraucherschutz.

Warum Finfluencer unreguliert Millionen beeinflussen dürfen
Empfehlung oder Meinung? – Finfluencer umgehen mit Allgemeinplätzen die Regulierung, beeinflussen aber dennoch Millionen junger Anleger. Die BaFin sieht darin keinen Verstoß gegen das Gesetz.

Wenn der Instagram-Algorithmus zur Geldanlage rät

Sie tragen Hoodies statt Anzug, drehen Reels statt Kundentermine – und erreichen mehr Menschen als klassische Banken oder Versicherungsvermittler: Finfluencer sind längst Teil der deutschen Finanzlandschaft.

Doch was auf TikTok, YouTube oder Instagram oft als „eigene Meinung“ verpackt wird, hat reale Folgen. Millionen junger Menschen verlassen sich bei Anlageentscheidungen auf Aussagen von Influencern – und sind im Schadensfall völlig ungeschützt.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sieht dennoch keinen Handlungsbedarf.

Die Gesetzeslücke mit Ansage

Nach dem kürzlich veröffentlichten BaFin-Merkblatt zur Anlageberatung erfüllen Finfluencer in aller Regel nicht die Voraussetzungen für eine regulierte Beratung. Warum?


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Weil ihre Inhalte öffentlich zugänglich sind, keine individuelle Analyse der Vermögensverhältnisse erfolgt und meist kein direkter Kontakt mit den Followern besteht.

In der Praxis bedeutet das: Wer in einem Livestream zum Kauf eines bestimmten ETFs rät, muss sich nicht an rechtliche Standards wie Geeignetheitsprüfung, Protokollierung oder Offenlegung von Interessenkonflikten halten – solange die Aussage allgemein formuliert ist.

BVK schlägt Alarm

Für Hubertus Münster, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute (BVK), ist diese Auslegung mehr als weltfremd.

„Die BaFin unterschätzt die reale Marktmacht dieser Akteure“, warnt er.

Während Vermittler und Anlageberater streng reguliert sind, können Finfluencer nahezu ungeprüft Meinungen als Empfehlungen verkaufen – oft mit wirtschaftlichem Eigeninteresse im Hintergrund.

Der Vorwurf: Die Aufsicht entzieht sich ihrer Verantwortung, weil die Kommunikation formal unter der Schwelle der Beratung bleibt.

Die große Grauzone im Finanzrecht: Die BaFin stuft Finfluencer nicht als Anlageberater ein – obwohl sie durch Werbelinks, bezahlte Kooperationen und konkrete Tipps massive Wirkung entfalten.

Empfehlung oder nur Content?

Die Abgrenzung ist in der Praxis oft fließend. Wer sagt „Ich kaufe gerade Aktie XY, weil ich an ihren Turnaround glaube“, löst in der Community nicht selten massenhaft Nachkäufe aus – auch wenn es sich offiziell nur um eine persönliche Meinung handelt.

Hinzu kommt: Viele Finfluencer verlinken direkt zu Brokern oder kassieren Provisionen über sogenannte Affiliate-Links. Ein klarer Interessenkonflikt – ohne Pflicht zur Offenlegung oder Hinweis auf Risiken.

Von Haftung keine Spur

Was klassische Berater teuer zu stehen kommt – etwa eine falsche Empfehlung ohne Risikohinweis – bleibt für Finfluencer folgenlos. Die Reichweite ist enorm, die Verantwortung minimal.

Die Folge: Immer wieder kommt es zu Verlusten bei jungen Anlegern, die den Influencer-Aussagen blind vertrauten. Rechtlich bleibt das meist folgenlos – denn Berater haften, Influencer nicht.

Europäische Regulierer werden ungeduldig

Auch auf EU-Ebene wächst der Druck. Die „Retail Investment Strategy“ der EU-Kommission sieht eine explizite Regulierung von Finfluencern vor. Das Ziel: ein „Level Playing Field“ zwischen traditionellen Beratern und digitalen Meinungsführern.

Der BVK begrüßt diesen Vorstoß ausdrücklich. Denn derzeit entsteht der absurde Eindruck, dass es sicherer ist, sich auf TikTok beraten zu lassen als in einem persönlichen Beratungsgespräch – zumindest für den Ratgeber.

Das Märchen von der Meinungsfreiheit

Befürworter der jetzigen Rechtslage argumentieren mit Meinungsfreiheit und der Eigenverantwortung der Anleger.

Doch diese Argumentation greift zu kurz: Sobald ein Geschäftsmodell auf Reichweite und Provisionen fußt, wird aus Meinung sehr schnell eine verkappte Beratung – mit finanziellen Interessen. Und damit beginnt der Bereich, für den Regulierung zwingend notwendig ist.

Millionenpublikum – null Kontrolle

Die BaFin verweist auf bestehende Regeln. Doch diese wurden für einen Markt entworfen, der längst nicht mehr existiert. Influencer sind heute Vertriebsplattform, Werbegesicht und vermeintlicher Finanzexperte in einem – ohne Prüfung, ohne Lizenz, ohne Regulierung.

Während etablierte Vermittler Prüfungen, Weiterbildung und Haftpflichtversicherung vorweisen müssen, genügt dem Finfluencer ein virales Video.

Wer schützt die Anleger vor Follower-Power?

Die BaFin verpasst eine historische Chance, den Wildwuchs der Finfluencer-Landschaft in geordnete Bahnen zu lenken. Wenn Millionen junger Menschen ihren ersten ETF über Instagram kaufen, ist das nicht mehr nur Social Media – es ist Finanzberatung mit realem Risiko. Solange aber Influencer keine Berater sind, bleibt der Verbraucherschutz auf der Strecke.

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