15. Juli, 2025

Unternehmen

Warum Europas Satelliten-Hoffnung plötzlich durchstartet

Die Eutelsat-Aktie hat in wenigen Wochen fast 60 % zugelegt – nicht wegen glänzender Zahlen, sondern wegen eines politischen Kraftakts. Europas Antwort auf Starlink soll endlich Form annehmen. Doch der Höhenflug ist nicht ohne Risiko.

Warum Europas Satelliten-Hoffnung plötzlich durchstartet
Seit Ankündigung der Kapitalerhöhung durch den französischen Staat hat die Eutelsat-Aktie rund 60 % zugelegt – ein politischer Vertrauensvorschuss, keine operative Wende.

60 Prozent in vier Wochen – Eutelsat hebt ab

Wer in den letzten Wochen auf den Kurs von Eutelsat geschaut hat, sah keine normale Nebenwertentwicklung. Der französische Satellitenbetreiber, bislang eher ein leiser Mitspieler im globalen Raumfahrtgeschäft, hat seit Mitte Juni eine regelrechte Rally hingelegt: Knapp 60 % plus in nur einem Monat.

Ein solcher Kurssprung ohne neue Quartalszahlen, ohne bahnbrechende Innovation? Klingt ungewöhnlich – ist aber in diesem Fall ein politisches Statement.

Denn was Eutelsat derzeit antreibt, ist nicht die operative Performance, sondern ein massiver strategischer Umbau. Genauer gesagt: eine Kapitalerhöhung mit geopolitischer Schlagseite.

Frankreich zahlt, Großbritannien zieht mit – Europa macht Ernst

Eutelsat wird künftig kein rein privatwirtschaftliches Projekt mehr sein. Mit einer Kapitalerhöhung von 1,5 Milliarden Euro holt sich das Unternehmen zwei Schwergewichte ins Boot: Die französische Regierung übernimmt rund 30 % der Anteile, das Vereinigte Königreich beteiligt sich mit 163 Millionen Euro – fast elf Prozent.

Quelle: Eulerpool

Was hier passiert, ist kein gewöhnliches Investment. Es ist ein industriepolitisches Signal: Europa will nicht länger tatenlos zusehen, wie Elon Musks Starlink weltweit Satelliten-Internet verteilt. Stattdessen setzt man auf ein eigenes Gegengewicht – und stellt dafür Milliarden bereit.

Die EU will raus aus der US-Abhängigkeit

Die Raumfahrt ist längst nicht mehr nur Wissenschaft und Technik – sie ist geopolitisches Terrain. Wer die Satelliten kontrolliert, kontrolliert Kommunikation, Infrastruktur und Daten. Die Dominanz amerikanischer Konzerne – allen voran Starlink – ist Brüssel und Paris zunehmend ein Dorn im Auge.

Eutelsat soll daher zum europäischen Gegenmodell ausgebaut werden: weniger Elon, mehr Europa. Die staatliche Beteiligung verschafft dem Unternehmen nicht nur Kapital, sondern auch Rückendeckung auf höchster Ebene – ein klarer Standortvorteil im Wettlauf um Marktanteile im Orbit.

Aber: Geld allein reicht nicht

Trotz politischem Rückenwind bleibt Eutelsat ein angeschlagener Konzern mit schwieriger Vergangenheit. Der Umsatz stagnierte zuletzt, das Russland-Geschäft liegt wegen EU-Sanktionen auf Eis, und die Konkurrenz aus den USA und China ist technologisch weit voraus.

Mit einer Milliarde aus Paris und 163 Mio. aus London soll Eutelsat zum Gegengewicht zu Elon Musks Starlink werden – die Umsetzung ist ambitioniert, aber technologisch noch nicht aufgeholt.

Analysten warnen: Nur weil Regierungen einsteigen, heißt das nicht, dass operative Probleme verschwinden. Die Investoren setzen auf die Hoffnung, dass das frische Geld in Innovationen fließt, die Eutelsat in die Nähe von Starlink bringen – sowohl technisch als auch wirtschaftlich. Aber derzeit ist das mehr Ambition als Realität.

Strategie mit Risiko – aber auch mit Symbolkraft

Die neue Eigentümerstruktur wird Eutelsat verändern. Aber das braucht Zeit – und birgt auch Risiken. Wie unabhängig bleibt ein Unternehmen, das politisch gewollt und finanziert ist? Wie schnell können die Milliarden sinnvoll investiert werden? Und vor allem: Was passiert, wenn die Erwartungen nicht erfüllt werden?

Die Volatilität der Aktie dürfte jedenfalls anhalten. Denn der Markt bewertet nicht nur Geschäftszahlen, sondern geopolitische Absichten. Und die sind schwer zu kalkulieren – besonders in einem Sektor, in dem technologische Entwicklung, staatliche Förderung und internationale Machtspiele so eng verwoben sind.

Was Anleger jetzt beachten sollten

Die Eutelsat-Aktie ist kein klassisches Investment mehr. Sie ist politisch aufgeladen – im Guten wie im Schlechten. Für Anleger bedeutet das: Wer einsteigt, muss bereit sein, mit den Launen der internationalen Politik zu leben.

Klar ist: Das langfristige Potenzial ist enorm. Wer Satellitenkommunikation in Europa kontrolliert, wird ein zentraler Akteur in digitalen Infrastrukturen, Verteidigung, Luftfahrt und Telekommunikation sein.

Aber ob Eutelsat diesen Platz einnehmen kann, hängt nicht nur vom Aktienkurs, sondern vom operativen Fortschritt ab – und vom Willen der Politik, auch in schlechten Phasen am Projekt festzuhalten.

Noch keine Rakete, aber auf dem Launchpad

Eutelsat hat eine historische Chance – und bekommt dafür politisch Rückendeckung, wie es sie im Raumfahrtsektor selten gab. Doch was in den nächsten Quartalen passiert, entscheidet über weit mehr als nur den Kursverlauf: Es geht um Europas digitale Souveränität.

Ob aus der Hoffnung auf einen „Starlink-Killer“ ein echter Konkurrent wird, bleibt offen. Aber zum ersten Mal seit Jahren scheint Europa in der Raumfahrt nicht mehr nur Zuschauer zu sein.

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