Wall Street ist längst drin – Frankfurt bleibt draußen
Am 10. Januar 2024 ging ein Ruck durch die Krypto-Welt: Die US-Börsenaufsicht SEC genehmigte erstmals sogenannte Bitcoin-Spot-ETFs. Was wie ein kleiner Regulierungsschritt klingt, ist de facto ein Ritterschlag für die größte Kryptowährung – und ein Meilenstein für ihre institutionelle Akzeptanz.
In Deutschland hingegen bleibt alles beim Alten. Bitcoin-Spot-ETFs, also börsengehandelte Fonds, die echte Bitcoins physisch halten, sind hier verboten. Der Grund: ein europäisches Regelwerk aus einer anderen Zeit.
UCITS – ein Akronym als Innovationsbremse
Die sogenannte UCITS-Richtlinie (Undertakings for Collective Investment in Transferable Securities), auch bekannt als OGAW-Richtlinie, schreibt für europäische ETFs eine breite Diversifikation vor.
Kein Einzelwert darf in der Regel mehr als 20 % des Portfolios ausmachen. Genau das aber macht Bitcoin-ETFs unmöglich – schließlich geht es dort um ein einziges Asset. Was als Anlegerschutz gedacht ist, wirkt heute wie ein regulatorischer Käfig.
Denn während in den USA Milliarden in Bitcoin-ETFs fließen, müssen europäische Anleger auf Alternativen zurückgreifen, die oft riskanter und intransparenter sind.
Deutschland: Nur wer streut, darf ETF heißen
Die Regel ist klar: mindestens fünf verschiedene Titel, sonst keine Zulassung.
"Ein ETF, der nur einen Kryptowert – beispielsweise Bitcoin – enthält, dürfte in Deutschland nicht aufgelegt werden", erklärt die BaFin ganz nüchtern.
Und weil die EU in Finanzfragen zentral tickt, betrifft das nicht nur Deutschland, sondern alle 27 Mitgliedstaaten. Ein Bitcoin-ETF nach US-Vorbild wird es hier also auf absehbare Zeit nicht geben.
ETNs und Zertifikate: Die schwächeren Alternativen
Doch was bleibt europäischen Privatanlegern, wenn sie nicht selbst Wallets verwalten oder auf unseriöse Plattformen vertrauen wollen? Der Markt bietet sogenannte ETNs – Exchange Traded Notes – als scheinbar gleichwertige Lösung. Diese Schuldverschreibungen bilden zwar ebenfalls den Bitcoin-Preis ab und sind häufig sogar physisch besichert.
Doch sie haben einen entscheidenden Nachteil: Anlegergelder gehören nicht zum Sondervermögen. Bei einer Pleite des Emittenten sind sie im schlimmsten Fall verloren. Wer Sicherheit will, bekommt sie bei ETNs nicht – im Gegensatz zu ETFs, deren Konstruktion genau für diesen Fall ausgelegt ist.

Brüssel bremst, Guernsey trickst
Dass Europa seine eigenen Regeln bis an die Grenze ausreizt, zeigt der Fall Jacobi FT Wilshire Bitcoin ETF. Der Fonds wurde als "erster Bitcoin-Spot-ETF Europas" gefeiert – zu Unrecht. Denn er wurde nicht in der EU zugelassen, sondern auf der Kanalinsel Guernsey, die zwar zur britischen Krone gehört, aber regulatorisch eigene Wege geht.
Der ETF wird zwar an der Euronext Amsterdam gehandelt, ist aber nur für professionelle Anleger zugänglich – mit einer Einstiegshürde von 100.000 US-Dollar. Für die breite Masse ist auch dieses Produkt also keine Lösung.
Warum Brüssel beim Bitcoin zaudert
Rechtsanwalt Jochen Kindermann von Simmons & Simmons sieht dennoch Bewegung: Der Druck auf die EU könnte steigen, glaubt er. Die Krypto-Lobby werde versuchen, politische Entscheidungsträger zu überzeugen, um mit den USA gleichzuziehen. Doch nicht alle teilen seinen Optimismus.
Jan Altman von der ETC Group sagt klipp und klar: "Ich sehe nicht, dass Bitcoin-ETFs nach Europa kommen. Regulatorisch ist das schlicht nicht machbar."
Und solange Publikumsfonds keine Kryptowährungen direkt halten dürfen, bleibt die Tür zu.
Die Ironie: Schutz durch Risiko?
Die paradoxe Situation: Während europäische Regelwächter Krypto-ETFs wegen angeblich zu hoher Risiken untersagen, weichen Anleger auf Produkte aus, die noch weniger Schutz bieten – etwa Zertifikate, CFDs oder Hebelprodukte.
Die europäische Regulatorik schützt also nicht vor Risiken, sondern macht sie in gewisser Weise sogar größer. Wer in Bitcoin investieren will, muss Umwege nehmen – mit allen bekannten Tücken.
Alte Regeln, neue Märkte – und eine wachsende Lücke
Der Fall zeigt: Die EU verpasst eine Chance, moderne Finanzprodukte reguliert und sicher zugänglich zu machen. In einem globalen Markt, in dem Innovation Geschwindigkeit verlangt, wirken die europäischen Vorgaben wie aus der Zeit gefallen.
Die Folge: Der Finanzplatz Europa verliert weiter an Boden, während in den USA eine neue Assetklasse institutionalisiert wird. Die Anleger hierzulande zahlen den Preis – in Form von Komplexität, Unsicherheit und eingeschränkten Möglichkeiten.
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