Die Botschaft kam nachts – und sie war unmissverständlich
58,50 Dollar. So tief rutschte der Preis für ein Barrel der Nordseesorte Brent in der Nacht auf Montag – ein Niveau, das zuletzt Anfang April und davor nicht mehr seit 2021 erreicht wurde.
Zwar erholte sich der Kurs im Laufe des Tages leicht, doch der Trend ist eindeutig: Die Ölpreise stehen unter Druck.
Die Ursache: Eine unerwartet offensive Ankündigung der Opec+. Der von Saudi-Arabien und Russland dominierte Ölverbund will die Produktion erneut ausweiten – um 411.000 Barrel pro Tag, bereits im Juni.
Ursprünglich war dieses Niveau erst für Oktober 2025 vorgesehen. Die Märkte reagieren prompt: mit Misstrauen und Kursverlusten.
Mehr Öl, weniger Preis – aber warum jetzt?
Die Entscheidung der Opec+ wirkt wie ein klares Signal: Man will wieder Marktanteile. Und zwar schnell. Schon im vergangenen Monat wurde die Produktion leicht angehoben. Jetzt folgt die nächste Stufe – deutlich aggressiver als erwartet.
Hinter dem Schritt steckt strategisches Kalkül. Zum einen geht es darum, den zuletzt stagnierenden Markt in Bewegung zu bringen. Zum anderen – und das dürfte entscheidend sein – wollen die führenden Förderländer gezielt Druck auf die US-Schieferölbranche ausüben.
Die ist bekannt dafür, flexibel und preissensibel zu sein. Und genau das macht sie verwundbar.
Goldman Sachs warnt vor weiterer Talfahrt
Analysten wie Damien Courvalin von Goldman Sachs schlagen Alarm. Das Überangebot treffe auf eine ohnehin fragile Nachfrage. Die Konjunktur in Europa lahmt, China wächst schwächer als erwartet, und die Rezessionssorgen in den USA nehmen zu. In diesem Umfeld könnten die Ölpreise weiter nachgeben.

Allein in diesem Jahr hat Brent bereits rund 20 Prozent an Wert verloren. Für Förderländer mit hohen Haushaltsdefiziten – etwa Nigeria oder Venezuela – ist das keine gute Nachricht. Auch Investoren beginnen, sich neu zu orientieren: weg von klassischen Energietiteln, hin zu stabileren Werten.
Was bedeutet das für Verbraucher?
Kurzfristig könnte der Preisrutsch positive Effekte haben. Wer in den kommenden Wochen tankt oder Heizöl bestellt, dürfte von niedrigeren Kosten profitieren. Auch Flugreisen könnten günstiger werden – zumindest theoretisch.
Langfristig aber ist das Bild komplexer. Denn fallende Ölpreise sind oft ein Indikator für wirtschaftliche Unsicherheiten. Wenn die Nachfrage nach Energie sinkt, heißt das oft: Weniger Produktion, weniger Investitionen, schwächeres Wachstum.
Druck auf Washington wächst
Besonders brisant ist die Situation für die USA. Die heimische Fracking-Industrie war lange Profiteur hoher Ölpreise. Jetzt steht sie unter Zugzwang. Viele Projekte rechnen sich nur oberhalb von 60 Dollar pro Barrel. Sollte der Preis dauerhaft unter dieser Marke bleiben, droht eine Konsolidierungswelle.
Washington dürfte das nicht gefallen. Schon jetzt ist das Verhältnis zu Riad angespannt. Dass Saudi-Arabien und Russland ihre Förderpolitik nun offen gegen die US-Schieferölbranche richten, wird in D.C. genau registriert. Diplomatisch ist das ein Rückschlag – wirtschaftlich ein Risiko.
Ein neuer Preiskampf?
Die Frage, die jetzt im Raum steht: Ist das der Beginn eines neuen Ölpreiskampfs wie zuletzt 2014? Damals versuchte Saudi-Arabien, durch massive Überproduktion die US-Fracker aus dem Markt zu drängen. Der Plan ging teilweise auf – kostete aber Milliarden.
Heute ist die Ausgangslage anders. Viele Förderländer sind wirtschaftlich angeschlagen, die Lager sind voll, die Nachfrage bleibt schwach. Trotzdem scheint die Opec+ bereit, Risiken einzugehen – auch auf Kosten eigener Einnahmen.
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