Wenn aus Zweifeln Zuversicht wird
Dan Nathan galt jahrelang als einer der lautesten Tesla-Skeptiker an der Wall Street. Nun sieht er in der Aktie des Elektroautobauers wieder Chancen – und das in einer Phase, in der Absatz, Margen und Gewinne unter Druck stehen. „Technische Stärke und Stimmungswende“, so begründet der CNBC-Analyst seine neue Einschätzung. Die Aktie halte sich stabil über dem 200-Tage-Durchschnitt, und das trotz schwacher Fundamentaldaten.
Es ist eine Kehrtwende, die Aufmerksamkeit erregt. Denn selbst eingefleischte Tesla-Bullen mussten zuletzt zugeben: Das klassische E-Auto-Geschäft lahmt. Preisnachlässe, Überkapazitäten und zunehmende Konkurrenz aus China setzen Musk unter Druck. Und dennoch – der Kurs zieht an.
Rückenwind durch Robotaxi und Rückzug
Den Stimmungsumschwung erklärt Nathan auch mit einem psychologischen Faktor: Elon Musks Rückzug aus der Politik. Nach Jahren öffentlicher Eskapaden und provokanter Kommentare konzentriere sich der Tesla-Chef wieder stärker auf das operative Geschäft. Für Investoren sei das ein Signal der Stabilität, das Vertrauen zurückbringe.
Zudem spielt ein Projekt eine immer größere Rolle: Teslas Robotaxi-Programm. Nach über zehn Jahren Forschung und Milliardeninvestitionen ist die erste kommerzielle Einführung in Austin abgeschlossen. „Das verändert die Perspektive vieler Investoren“, so Nathan. „Nicht wegen der kurzfristigen Gewinne, sondern wegen des Signals: Tesla kann wieder Innovation liefern.“
Auch der Baron Focused Growth Fund, einer der größten institutionellen Investoren Teslas, lobte in seinem letzten Quartalsbrief den „mutigen Schritt in ein neues Geschäftsmodell“. Der Markt beginne, Tesla nicht mehr nur als Autobauer, sondern als Technologieunternehmen mit wiederkehrenden Ertragsquellen zu sehen.
Zahlen mit Licht und Schatten
Noch aber sind die harten Daten ernüchternd. Im zweiten Quartal fiel der Gewinn um 16 Prozent auf 1,17 Milliarden US-Dollar, der Umsatz sank um zwölf Prozent auf 22,5 Milliarden. Analysten hatten mehr erwartet.
Doch Tesla wäre nicht Tesla, wenn es nicht immer auch eine zweite Lesart gäbe. Die Auslieferungen im dritten Quartal erreichten mit knapp 497.000 Fahrzeugen einen neuen Rekord. Die Produktion stieg um neun Prozent gegenüber dem Vorquartal, die Energiesparte – lange Zeit ein Nebenprodukt – erzielte mit 12,5 Gigawattstunden Speicherkapazität ebenfalls Bestwerte.
Für Anleger bedeutet das: Die operative Basis bleibt solide. Die großen Fragezeichen liegen in der Marge – und im nächsten Innovationsschub.
Anleger zwischen Hoffnung und Realität
Die Erwartungen für die kommenden Quartalszahlen am 22. Oktober sind hoch. Nach mehreren schwachen Quartalen hoffen Investoren auf ein Zeichen der Erholung. Die Aktie hat sich seit dem Frühjahr fast verdoppelt, liegt aber mit einem Jahresplus von rund acht Prozent deutlich hinter den großen Techwerten.
Von 38 befragten Wall-Street-Analysten empfehlen 16 die Aktie zum Kauf, 13 raten zum Halten, 9 zum Verkauf. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 358 Dollar – also knapp 18 Prozent unter dem aktuellen Niveau. Eine Einschätzung, die zeigt, wie gespalten die Analystengemeinde bleibt.
Mehr als nur eine Aktie
Tesla ist längst kein normales Unternehmen mehr. Es ist Projektionsfläche – für Hoffnung, Skepsis, Glauben und Zweifel. Die Kurse reagieren nicht allein auf Zahlen, sondern auf Stimmungen, Narrative, Tweets.
Dass nun selbst ein langjähriger Skeptiker wie Dan Nathan wieder Vertrauen schöpft, zeigt: Die Märkte glauben wieder an Musk. Nicht an die kurzfristige Bilanz, sondern an die Vision.
Vielleicht ist das die eigentliche Lehre dieser Woche: In Zeiten schwacher Fundamentaldaten bleibt Tesla vor allem eines – ein Stimmungsbarometer für den technologischen Glauben an die Zukunft. Und genau darin liegt seine ungebrochene Anziehungskraft.
