Comeback auf Ansage – oder nur ein Zwischenhoch?
Noch im Frühjahr sprach Konzernchef Oliver Blume offen von einem „Sanierungsfall“ – nun gilt Volkswagen als der innovativste Autokonzern der Welt.
Laut der aktuellen Innovationsstudie des Center of Automotive Management (CAM) hat kein Hersteller im vergangenen Jahr mehr technische Neuerungen vorgestellt als der Konzern aus Wolfsburg. Audi dominiert die Premiumkategorie. Nach Jahren der Kritik scheint sich der Wind zu drehen – zumindest vorübergehend.
Mehr als nur Kosmetik?
109 Innovationen in einem Jahr, davon 30 mit weltweitem Neuheitswert. Darunter Fortschritte bei Batteriereichweite, digitale Assistenzsysteme, effizientere Antriebe und deutlich verbesserte Infotainment-Systeme.
Für ein Unternehmen, das zuletzt eher durch Softwareverzögerungen und interne Kompetenzkämpfe aufgefallen war, ist das ein beachtliches Ergebnis. Besonders bemerkenswert: Viele dieser Fortschritte stammen aus Kooperationen – etwa mit dem chinesischen E-Auto-Start-up Xpeng und dem US-Elektropionier Rivian.
Audi reaktiviert die Ingenieursehre
Auch bei Audi tut sich etwas. Die Marke, die einst als „Technologieführer“ galt, hatte seit dem Dieselskandal ihre Innovationskraft weitgehend eingebüßt. Nun melden sich die „Konstruktions-Götter“ zurück.
CAM-Studienleiter Stefan Bratzel sieht deutliche Fortschritte in Technik und Struktur – Audi hat sich offenbar nicht nur organisatorisch neu aufgestellt, sondern auch intern wieder Vertrauen in die eigene Entwicklungsfähigkeit gewonnen.

China bleibt das Nadelöhr
Trotz des neuen Selbstbewusstseins bleibt der Blick nach China ein Risiko – und eine Mahnung. Während Volkswagen in Europa und den USA an technologischer Relevanz gewinnt, ist das China-Geschäft massiv eingebrochen.
Die Erträge haben sich dort binnen eines Jahres halbiert, 2025 wird der Gewinn voraussichtlich unter eine Milliarde Euro fallen. Chinesische Hersteller wie BYD, Geely, Xpeng oder SAIC setzen bei Konnektivität, Digitalisierung und Nutzererlebnis andere Maßstäbe – und treffen damit exakt den Nerv des dortigen Marktes.
Bratzel warnt:
„Markentreue existiert in China kaum. Wer technologisch nicht führend ist, wird verdrängt.“
Im CAM-Ranking kommen fast 50 Prozent aller weltweiten Fahrzeug-Innovationen aus China. VW mag aktuell wieder glänzen – doch auf dem wichtigsten Einzelmarkt bleibt der Konzern unter Druck.
Ein Ranking allein macht noch kein Comeback
Der Innovationssprung ist ein Signal – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Er zeigt, dass VW strategisch nachjustiert hat und den Ernst der Lage verstanden zu haben scheint.
Ob das reicht, um den Konzern dauerhaft wieder in die Führungsrolle zu bringen, ist offen. Mercedes und BMW bringen ihre neuen Modellreihen erst dieses Jahr auf den Markt – und könnten dann zurückschlagen. Und Tesla, derzeit nur auf Platz 15 der Innovationsstudie, dürfte das Feld ebenfalls nicht kampflos räumen.
Systemwechsel statt Leuchtrakete
Spannend wird sein, ob Volkswagen aus dem Innovationshoch eine strukturelle Stärke entwickeln kann. Denn viele der Probleme – träger Konzernapparat, ineffiziente Entscheidungswege, komplexe Plattformstrategie – sind weiterhin ungelöst.
Eine technologische Aufholjagd ist nur dann nachhaltig, wenn sie mit einer organisatorischen Wende einhergeht. Die neue Kooperationsoffenheit deutet darauf hin, dass dieser Wandel begonnen hat. Aber: Ein gutes Jahr macht noch keine neue Ära.
Die Konkurrenz schläft nicht – sie skaliert
Während Volkswagen wieder experimentiert, bauen die chinesischen Anbieter längst in Serie. Marken wie BYD, Nio oder LiAuto etablieren sich international, skalieren effizienter, reagieren schneller.
Der deutsche Vorteil in Ingenieurskunst wird durch Tempo und Softwarekompetenz anderer Volkswirtschaften zunehmend relativiert. Auch das ist Teil der Realität – trotz aller Innovationspreise.
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