ETF-Anleger freuen sich über ein starkes Börsenjahr. Wer 2025 in breit gestreute Aktienindizes investiert war, liegt häufig zweistellig im Plus. Der Blick ins Depot wirkt beruhigend. Der Blick aufs Verrechnungskonto im Januar dagegen oft nicht. Denn dann zieht der Fiskus Geld ein – auch ohne Verkauf, auch ohne Ausschüttung.
Die Steuer entsteht, obwohl kein Gewinn realisiert wurde
In Deutschland gilt auf Kapitalerträge die Abgeltungsteuer von 25 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer. Das ist bekannt und meist gut automatisiert. Verkauft ein Anleger Fondsanteile mit Gewinn, behält die Bank die Steuer ein und überweist den Nettobetrag.
Was viele übersehen: Es gibt eine zweite Ebene der Besteuerung, die unabhängig vom Verkauf greift. Die sogenannte Vorabpauschale wird jedes Jahr Anfang Januar fällig. Sie betrifft Fonds und ETFs, die Erträge nicht oder nur gering ausschütten – also vor allem thesaurierende Indexfonds.
Die Vorabpauschale ist kein Strafzins, aber psychologisch heikel
Die Vorabpauschale ist keine zusätzliche Steuer, sondern eine Vorauszahlung. Sie soll sicherstellen, dass Fonds steuerlich gleich behandelt werden – egal, ob sie Erträge ausschütten oder reinvestieren. Beim späteren Verkauf wird die gezahlte Steuer angerechnet.
Das Problem liegt weniger im Prinzip als in der Wahrnehmung. Anleger zahlen Steuern, ohne Geld erhalten zu haben. Gerade nach Jahren, in denen die Pauschale wegen niedriger Zinsen kaum ins Gewicht fiel oder ganz ausgesetzt war, kommt der Abzug für viele überraschend.
Gestiegene Zinsen machen die Regel wieder relevant
Erstmals eingeführt wurde die Vorabpauschale 2019. In den Jahren extrem niedriger Zinsen blieb sie nahezu wirkungslos. 2022 und 2023 entfiel sie komplett. Mit dem Zinsanstieg ist sie zurück – spürbar, aber nicht existenzbedrohend.
Für 2025 wurde der maßgebliche Basiszins auf 2,53 Prozent festgelegt. Dieser Wert ist entscheidend für den Steuerabzug Anfang 2026. Grundlage ist die Rendite langfristiger Bundesanleihen – nicht die tatsächliche Wertentwicklung des Fonds.
So entsteht die Steuer im Detail
Die Berechnung wirkt technisch, folgt aber einer klaren Logik. Auf das zu Jahresbeginn investierte Kapital wird ein fiktiver Mindestertrag angesetzt. Bei Aktienfonds greift eine Teilfreistellung von 30 Prozent, um die Vorbelastung auf Fondsebene zu berücksichtigen.
Ein Beispiel:
Ein Anleger hält zu Jahresbeginn 10.000 Euro in einem Aktien-ETF. Steuerlich relevant sind davon 70 Prozent. Auf diesen Betrag wird ebenfalls zu 70 Prozent der Basiszins angewendet. Daraus ergibt sich ein fiktiver Ertrag von rund 124 Euro. Darauf fallen Abgeltungsteuer und Solidaritätszuschlag an – insgesamt gut 26 Prozent.
Bei einem Depot von 100.000 Euro summiert sich das schnell auf mehr als 300 Euro. Kirchensteuer kommt gegebenenfalls hinzu. Freistellungsaufträge und Verlustverrechnungstöpfe werden berücksichtigt, sofern sie vorhanden sind.
Nicht jeder Fonds ist gleich stark betroffen
Besonders relevant ist die Vorabpauschale für thesaurierende Fonds. Ausschüttende Fonds sind zwar formal ebenfalls betroffen, die tatsächlichen Ausschüttungen werden jedoch gegengerechnet. Übersteigen sie den fiktiven Ertrag, fällt keine zusätzliche Steuer an.
Entscheidend ist außerdem die tatsächliche Wertentwicklung. Liegt diese unter dem errechneten Mindestertrag, wird maximal der reale Gewinn besteuert. Für Sparpläne und unterjährige Käufe erfolgt die Berechnung anteilig.

Die stille Nebenwirkung bei langfristigen Sparplänen
Die Vorabpauschale ist gedeckelt und fällt in den meisten Jahren niedriger aus als der tatsächliche Wertzuwachs. Das klingt positiv, hat aber eine Kehrseite. Bei langen Laufzeiten thesaurierender ETFs kann sich eine erhebliche Steuerlast aufstauen, die erst beim Verkauf fällig wird.
Hinzu kommt: Viele Anleger nutzen ihren Sparerpauschbetrag von 1.000 Euro pro Jahr nicht aus. In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, gezielt Gewinne zu realisieren, um den Freibetrag auszuschöpfen – und anschließend wieder zu investieren. Ob sich das lohnt, hängt von Transaktionskosten und individueller Situation ab.
Liquidität wird zum entscheidenden Punkt
Unabhängig von der Strategie sollten ETF-Anleger zum Jahreswechsel vor allem eines prüfen: das Verrechnungskonto. Die Vorabpauschale wird automatisch eingezogen. Ist das Konto nicht gedeckt, reagieren Banken unterschiedlich. Manche gewähren einen teuren Dispokredit, andere fordern zur Einzahlung auf.
Beides ist vermeidbar – mit etwas Vorbereitung. Die steuerliche Überraschung ist kein Zeichen falscher Geldanlage, sondern Folge eines Systems, das gerade in guten Börsenjahren spürbar wird.


