15. Dezember, 2025

Technologie

Video-KI, Roboterhirn, Weltmodelle – so denkt die nächste KI-Elite

Luma-CEO Amit Jain erklärt, weshalb DeepSeek, Alibaba & Co. keine Bedrohung, sondern ein Weckruf sind – und warum Europa dabei kaum eine Rolle spielt.

Video-KI, Roboterhirn, Weltmodelle – so denkt die nächste KI-Elite
Luma-Gründer Amit Jain erklärt, warum chinesische KI wie DeepSeek kein Feind, sondern ein Weckruf für den Westen ist.

Amit Jain wählt seine Worte bewusst. „DeepSeek ist das Beste, was der westlichen KI-Welt passieren konnte“, sagt der Gründer des US-Start-ups Luma. Kein Trotz, keine Abwehrhaltung – sondern eine nüchterne Diagnose. Der globale KI-Wettbewerb, vor allem aus China, zwingt amerikanische Entwickler zu Geschwindigkeit, Fokus und technischer Tiefe. Genau daraus, so Jain, entstehe Fortschritt.

Ein Start-up, das plötzlich ganz oben mitspielt

Luma ist innerhalb weniger Jahre von einem Nischenanbieter für 3D-Scans zu einem der führenden Entwickler von Video-KI aufgestiegen. Mit Ray 3 hat das Unternehmen ein Modell vorgelegt, das in mehreren Rankings vor Systemen von OpenAI liegt. Die Bewertung sprang nach der jüngsten Finanzierungsrunde auf rund vier Milliarden Dollar.

Der Erfolg kam nicht über Nacht. Frühere Versionen wie Dream Machine waren spielerisch, teils unausgereift. Doch sie erfüllten ihren Zweck: Sie bewiesen, dass auch kleine Teams im KI-Wettrennen bestehen können. Ray 2 brachte Skalierbarkeit, Ray 3 schließlich Qualität auf Kino-Niveau.

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Hollywood statt Social Media

Während viele Video-KI-Modelle auf kurze Clips für soziale Netzwerke optimiert sind, zielt Luma bewusst höher. Die Kundenliste liest sich entsprechend: Adobe integriert Ray 3 in Firefly, Coca-Cola nutzt die Technologie für Werbung, Hollywood-Studios experimentieren mit KI-generierten Sequenzen.

Ray 3 erzeugt fotorealistische HDR-Videos, erlaubt Farbkorrekturen und merkt sich kreative Präferenzen. Entscheidender ist jedoch ein technischer Bruch: Das Modell arbeitet mit „Reasoning“. Es erkennt logische Fehler in Szenenfolgen und korrigiert sie selbstständig. Video wird damit nicht mehr nur generiert, sondern strukturell verstanden.

Rechenleistung als neue Machtfrage

Der technologische Sprung hat einen Preis. Videomodelle verschlingen deutlich mehr Rechenleistung als Sprachmodelle. Klassische Rechenzentren reichen dafür nicht aus. Luma hat deshalb einen ungewöhnlichen Schritt gemacht: Ein staatlich finanzierter KI-Konzern aus Saudi-Arabien, Humain, stieg als Großinvestor ein. Kern der Partnerschaft ist ein neues Gigawatt-Rechenzentrum.

Für Jain ist das pragmatisch. Digitale Souveränität sei für US-Unternehmen kein Thema, sagt er offen. Entscheidend sei, wer die Infrastruktur bereitstellen könne – und wie schnell.

Der eigentliche Plan reicht weiter als Videos

So beeindruckend Ray 3 ist, für Jain ist es nur ein Zwischenschritt. Sein eigentliches Ziel nennt er offen: ein „Robotergehirn“. Gemeint ist eine KI, die Bild, Video, Text und Audio gleichwertig verarbeiten kann – eine sogenannte World Model-Architektur.

Solche Systeme sollen nicht nur Sprache verstehen, sondern physische Zusammenhänge: Materialien, Bewegungen, Kausalitäten. Erst dann, so Jain, werde KI in der realen Welt wirklich nützlich – in Robotik, Industrie, Logistik. Die heutigen Videomodelle liefern dafür Trainingsdaten.

China als Taktgeber, nicht als Tabu

Hier kommt DeepSeek ins Spiel. Das chinesische Sprachmodell überraschte Anfang des Jahres mit hoher Qualität bei vergleichsweise niedrigen Kosten. Für Jain war das kein Schock, sondern ein Signal. „Es hat gezeigt, dass gute KI nicht nur aus dem Silicon Valley kommt.“

Der Wettbewerb mit China zwinge US-Unternehmen, effizienter zu werden. Alibaba, ByteDance, Baidu oder MiniMax tauchen regelmäßig an der Spitze von Benchmarks auf. Für westliche Kunden seien diese Anbieter oft keine Option – politisch oder regulatorisch. Für Forscher jedoch sei ihre Existenz essenziell.

Europa bleibt Zuschauer

Über Europa spricht Jain auffallend nüchtern. Es gebe talentierte Teams, aber keine Modelle an der Weltspitze. Regulatorische Hürden, eingeschränkter Datenzugang und fehlende Rechenkapazitäten bremsten den Kontinent aus. Selbst ambitionierte Projekte wie Black Forest Labs hätten bislang keine konkurrenzfähige Video-KI vorgelegt.

Für Luma ist das ein Standortvorteil. Wo Europa reguliert, skaliert der Rest der Welt.

Konkurrenz als Beschleuniger

Jains zentrale These ist unbequem, aber klar: Abschottung schwächt Innovation. Erst echter Wettbewerb zwingt zu besseren Modellen, niedrigeren Kosten und schnelleren Zyklen. DeepSeek habe genau das bewirkt.

Die westliche KI-Welt, so Jain, müsse nicht geschützt werden. Sie müsse gefordert werden. Genau deshalb sei der Aufstieg chinesischer Modelle kein Risiko – sondern ein Katalysator.

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