19. Juli, 2025

Unternehmen

Versichern, als wäre es Wurst – Kaufland unter Druck

Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute wirft der Supermarktkette schwere Rechtsverstöße vor. Es geht um Irreführung, fehlende Beratung – und das Grundverständnis von Verbraucherschutz im Versicherungsvertrieb.

Versichern, als wäre es Wurst – Kaufland unter Druck
Auf der Website „kaufland-versicherung.de“ wird DA Direkt als Ansprechpartner präsentiert – doch rechtlich vermittelt eine Kaufland-Tochter. Der BVK sieht darin eine klare Irreführung von Verbrauchern.

Zwischen Einkaufsgutschein und Vermittlerstatus

„Kaufland Versicherungen – in Zusammenarbeit mit DA Direkt“ – was nach harmloser Kooperation klingt, könnte sich für die Supermarktkette als juristisches Minenfeld entpuppen.

Denn der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) hat das Projekt keine zwei Wochen nach dem Start bereits im Visier. Der Vorwurf: Verbrauchertäuschung, Verstöße gegen das Versicherungsvertragsgesetz und mangelnde Transparenz bei der Vermittlung von Tierkranken- und Zahnzusatzversicherungen.

Die Abmahnung, die der BVK über eine Kanzlei verschicken ließ, richtet sich an die Kaufland-Tochtergesellschaft KSTR-11 GmbH. Diese sei nach § 34d als gebundener Versicherungsvermittler registriert, werde aber auf der Versicherungsseite von Kaufland kaum erwähnt.

Stattdessen prangt dort groß das Logo von DA Direkt, einer Tochter der Zurich Gruppe. Der Eindruck: DA Direkt sei Anbieter und Vermittler zugleich. Juristisch jedoch ist das nicht haltbar.

Wer vermittelt hier eigentlich was?

BVK-Präsident Michael H. Heinz formuliert es unmissverständlich:

„Es ist irreführend, wenn ein Unternehmen den Eindruck erweckt, selbst als Vermittler aufzutreten, ohne rechtlich korrekt ausgewiesen zu sein.“

Die Darstellung auf der Kaufland-Website verstoße laut Verband gegen grundlegende Prinzipien der Firmenklarheit und Verbraucherinformation. Tatsächlich ist es laut DIHK-Register die Personalleiterin von Kaufland Deutschland, Sara Maria Mirabella, die als Vermittlerin eingetragen ist – nicht aber DA Direkt.

Das Problem liegt im Detail – und im Weglassen. Die Seite „kaufland-versicherung.de“ enthält keine klar erkennbare Erstinformation nach § 15 Versicherungsvermittlungsverordnung, und das Vermittlerregister ist nur schwer auffindbar. Die juristische Konstruktion mit GmbH & Co. KG und haftender Gesellschafterin bleibt für Verbraucher weitgehend intransparent.

Versicherung gegen Einkaufsgutschein: Kaufland lockt Kunden mit Bonusaktionen – doch laut BVK bleibt die gesetzlich vorgeschriebene Beratung dabei auf der Strecke.

Beratung per Klick – oder gar nicht

Noch schwerer wiegt ein anderer Punkt: Kaufland bietet Versicherungen ausschließlich online an – ohne anlassbezogene Beratung, ohne individuelle Bedarfsermittlung, ohne dokumentierte Risikoaufklärung. Das widerspricht nach Ansicht des BVK klar den gesetzlichen Anforderungen an Versicherungsvermittler.

Wer etwa eine Tierkrankenversicherung abschließt, wird nicht aktiv darauf hingewiesen, dass viele Standardbehandlungen nur bis maximal 700 Euro erstattet werden.

Die Begrenzung findet sich zwar – nach mehreren Klicks. Auf der Startseite hingegen steht großspurig: „Rundum-Sorglos-Schutz“ und „100 Prozent Kostenübernahme“. Was nach Sicherheit klingt, wird durch die Tiefe des Kleingedruckten relativiert. Für den BVK ist das ein klarer Fall von Irreführung – und damit wettbewerbsrechtlich angreifbar.

Gutschein statt Aufklärung

Kaufland bewirbt das Versicherungsangebot mit einem Einkaufsgutschein von bis zu 30 Euro – ein klassischer Verkaufsanreiz aus dem Einzelhandel, der im sensiblen Bereich der Finanz- und Versicherungsprodukte kritisch gesehen wird. „Versicherungen sind keine Aktionsware“, so Heinz.

Der BVK warnt vor einem „gefährlichen Präzedenzfall“, wenn Handelsketten ohne hinreichende Fachkompetenz in den regulierten Versicherungsmarkt eindringen – und dabei die Beratungspflichten aushebeln.

Dabei ist das Vorgehen nicht ganz neu: Schon früher hatte Kaufland temporäre Versicherungsprodukte angeboten. Doch der aktuelle Fall unterscheidet sich. Es geht nun um ein dauerhaft angelegtes Versicherungsangebot mit strukturiertem Vertrieb – und damit um ein eigenständiges Versicherungsgeschäft.

Und Kaufland? Reagiert nicht

Noch bemerkenswerter als die Vorwürfe ist die Reaktion – oder besser: deren Ausbleiben. Auf Nachfrage erklärte eine Sprecherin lediglich, dass man die Abmahnung bislang „nicht erhalten“ habe.

Es wirkt, als wolle man die Aufregung aussitzen. Doch das dürfte schwierig werden. Denn der BVK hat bereits angekündigt, notfalls auch den Klageweg zu beschreiten – wie schon in der Vergangenheit gegen Check24. Damals ging es ebenfalls um Transparenzpflichten und digitale Vermittlung. Das Ergebnis: neue Standards, verpflichtende Hinweise – und ein Urteil, das den Markt bis heute prägt.

Zwischen Discounter-Mentalität und Regulierungslücke

Der Fall Kaufland zeigt, wie unterschiedlich die Logiken von Einzelhandel und Versicherungswirtschaft ticken – und wo sie kollidieren. Rabattaktionen, automatisierte Verkaufsprozesse und wenig Beratung funktionieren im Supermarkt. Bei Versicherungen jedoch gelten andere Regeln: persönliche Verantwortung, transparente Risikodarstellung, gesetzliche Informationspflichten.

Wenn nun der Lebensmitteleinzelhandel diese Standards unterläuft – bewusst oder aus Unkenntnis –, stellt sich eine zentrale Frage: Wer schützt eigentlich den Verbraucher, wenn die Ware am Ende kein Joghurt ist, sondern ein Vertragswerk mit langer Laufzeit und rechtlichen Fallstricken?

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