25. Juni, 2025

Börse

„Verschoben“ oder gescheitert? Autodoc sagt Börsengang kurzfristig ab

Nur einen Tag vor dem geplanten IPO zieht sich der Berliner Autoteilehändler überraschend zurück – offiziell wegen der Weltlage. Doch Investoren zweifeln: Ist das Geschäftsmodell wirklich börsentauglich?

„Verschoben“ oder gescheitert? Autodoc sagt Börsengang kurzfristig ab
Nur Stunden vor dem Börsenstart sagt Autodoc den IPO ab – offiziell wegen der Weltlage. Inoffiziell wohl auch, weil das Interesse institutioneller Anleger zu gering war.

Geplant war der Schritt seit Jahren. Am Mittwoch sollte Autodoc, Europas größter Onlinehändler für Autoersatzteile, an der Frankfurter Börse debütieren.

Doch am Dienstag, kurz vor Handelsschluss, kam die Kehrtwende: Der Börsengang wird „verschoben“. Genauer gesagt: abgesagt. Bereits zum zweiten Mal.

Begründet wird der Rückzieher mit der „geopolitischen Lage“. Doch hinter den Kulissen war die Stimmung schon Tage zuvor gekippt.

Offenbar fand sich nicht genügend Nachfrage für die Aktien. Was bleibt, ist ein Missverständnis zwischen ambitionierten Gründern, vorsichtigen Investoren – und einem Marktumfeld, das kaum Fehler verzeiht.

Vertrauen ist schwerer zu verkaufen als Autoteile

Das Geschäftsmodell von Autodoc liest sich eigentlich solide: 66 Millionen Produkte verkauft, über 1,5 Milliarden Euro Umsatz, Ebitda-Marge im Aufwind. Doch die Börse fragt heute nicht nur nach Zahlen. Sie fragt nach Governance, Transparenz – und Glaubwürdigkeit.

Und genau da beginnt das Problem. Schon 2021 war ein erster Börsengang geplatzt, begleitet von Vorwürfen zu zweifelhaften Werbeanzeigen und fragwürdigen Arbeitsbedingungen. Das Unternehmen bemühte sich seither um ein sauberes Image, wandelte sich zur AG, brachte die Gründer in den Aufsichtsrat – doch der Schatten blieb.

Der Verdacht: Das Börsenumfeld allein war nicht schuld an der Absage. Es war das Gesamtbild.

Autodoc erzielte 2024 über 1,5 Mrd. Euro Umsatz – dennoch fand sich nicht genug Nachfrage für die Aktie. Der geplante Streubesitz lag bei lediglich 19 %.

Solide Kennzahlen. Fragiles Vertrauen

Die Zahlen jedenfalls stimmen: Autodoc ist profitabel, fast schuldenfrei, wächst zweistellig. Die Ebitda-Marge lag 2024 bei 6,5 Prozent, soll 2025 auf fast 10 Prozent steigen.

Die Gründer wollten nur 19 Prozent der Aktien in den Streubesitz geben, das Unternehmen auf 2,4 Milliarden Euro bewerten lassen. Für Investoren, die bei anderen IPOs aktuell zwischen 10 und 15 Prozent weniger zahlen müssen, klang das ehrgeizig – vielleicht zu ehrgeizig.

Auch der Private-Equity-Investor Apollo, der 2024 mit einer 2,3-Milliarden-Bewertung eingestiegen war, wollte Anteile abgeben. Das allein ist noch kein schlechtes Signal – aber in Kombination mit dem engen Streubesitz und dem Timing wenige Tage vor Brainlabs anstehendem Börsengang in Frankfurt wirkte der Rückzieher wie ein Warnschuss.

Imageprobleme, die kleben bleiben

Dass Autodoc immer wieder mit Negativschlagzeilen konfrontiert ist – ob wegen rechter Werbeumfelder, interner Kultur oder Qualitätsvorwürfen – lässt sich nicht einfach mit Wachstum überdecken.

Auch wenn sich das Unternehmen von allen politischen Extremismen öffentlich distanzierte, bleibt ein Reputationsrisiko haften. Besonders in einem Markt, in dem ESG-Ratings, Anlegervertrauen und Aufsichtsbehörden zunehmend mit am Tisch sitzen.

Dazu kommt: Der Markt für Börsengänge ist zwar wieder in Bewegung, aber selektiver denn je. Wer antritt, muss überzeugen – nicht nur mit Margen, sondern mit Transparenz und Berechenbarkeit. Dass Autodoc bis zur letzten Minute mit dem Rückzug gewartet hat, lässt Zweifel an der internen Kommunikation mit Investoren zu.

Warten auf den dritten Versuch?

Offiziell ist der Börsengang nur „verschoben“. Aber ein zweiter geplatzter IPO wiegt schwer – selbst bei guten Zahlen. Anleger fragen sich, was sie beim nächsten Versuch glauben sollen. Ein dritter Anlauf wird nur funktionieren, wenn Autodoc mehr liefert als Quartalsdaten: ein glaubwürdiges Governance-Modell, eine saubere ESG-Strategie und ein klares Commitment zur Transparenz.

Für den Moment bleibt Autodoc ein Unternehmen mit Potenzial – aber ohne Aktienkurs. Die Ersatzteile sind lieferbar. Das Vertrauen ist es nicht.

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