Countdown abgelaufen – und wieder von vorn
Im Online-Shop lief die Uhr rückwärts: Nur noch wenige Stunden für das Superangebot. Danach? Ging der Countdown einfach wieder von vorne los. Über drei Jahre lang hat der Matratzenhersteller Emma im australischen Markt genau mit dieser Methode gearbeitet – und damit bewusst gegen Verbraucherschutzgesetze verstoßen.
Das hat nun auch ein Gericht festgestellt. Die australische Tochterfirma Emma Sleep Pty Ltd gab vor dem Bundesgericht zu, dass 74 Produkte absichtlich mit falschen Preisen ausgezeichnet wurden. Die australische Wettbewerbsbehörde ACCC spricht von systematischer Irreführung der Kunden.
Schnäppchen unter Druck
Was Emma tat, ist ein Klassiker im digitalen Rabattgeschäft – nur eben in verschärfter Form: Angeblich befristete Preisnachlässe, durchgestrichene „Originalpreise“ und künstlich erzeugter Zeitdruck sollten Konsumenten zum schnellen Kauf verleiten.
Tatsächlich wurden viele der Matratzen gar nie zum angegebenen „Normalpreis“ angeboten. Es war ein Marketing-Konstrukt, das einzig dem Zweck diente, Kunden psychologisch unter Zugzwang zu setzen.
Zwischen Juni 2020 und März 2023 beobachtete die ACCC das Vorgehen genau. Immer wieder tauchten dieselben Muster auf: Angebote liefen ab – nur um kurz darauf exakt so wieder zu erscheinen. Die Produkte selbst? Dauerhaft im Preis reduziert, aber nie zum angeblichen Originalwert verkauft. Eine klare Wettbewerbsverzerrung, sagen die Kartellwächter. Der Wettbewerbsdruck auf andere Anbieter wurde künstlich verschärft.
Das Urteil: Emma ist schuldig – zumindest teilweise
Am 16. Juni folgte die juristische Bestätigung: Die australische Tochterfirma wurde schuldig gesprochen. Die Muttergesellschaft in Deutschland, die Emma Sleep GmbH, hingegen weist alle Vorwürfe zurück – und wurde im aktuellen Verfahren nicht verurteilt. Der zuständige Richter sah keine ausreichenden Beweise, dass das deutsche Management direkt involviert war.
Doch Zweifel bleiben. Denn laut Gerichtsbeschluss war die australische Tochter nicht völlig eigenständig unterwegs. Die Wettbewerbsbehörde behauptet, zentrale Marketingmaßnahmen seien von der Muttergesellschaft vorgegeben worden.
ie zuständigen Manager hätten nur ausgeführt, was aus Frankfurt kam. Offiziell bestreitet Emma das – doch das letzte Wort dürfte noch nicht gesprochen sein.
Großbritannien ermittelt ebenfalls – mit ähnlichen Vorwürfen
Der Fall in Australien ist nicht der einzige. Auch die britische Wettbewerbsbehörde Competition and Markets Authority (CMA) untersucht seit Ende 2022 verdächtige Rabattpraktiken im Online-Shop von Emma. Das Verfahren betrifft diesmal ausdrücklich auch die deutsche Zentrale – sowie mehrere europäische Tochtergesellschaften. Noch steht ein Urteil aus, doch die Vorwürfe ähneln sich frappierend.
CEO Dennis Schmoltzi gibt sich betont gelassen. Man habe mit der CMA „konstruktiv zusammengearbeitet“ und die meisten geforderten Änderungen umgesetzt. Für das australische Verfahren erklärt er: „Es betrifft ausschließlich unser Geschäft vor Ort. Die lokalen Vorgaben wurden nicht ausreichend berücksichtigt.“ Man habe intern bereits Konsequenzen gezogen.

Vom Testsieger zur Reputationskrise
2019 war Emma noch Liebling der Medien und Konsumentenschützer. Die „Stiftung Warentest“ kürte die Matratze damals zum Testsieger – der Absatz explodierte. In nur wenigen Jahren entwickelte sich das Start-up zum Marktführer für Online-Matratzen in Europa. 2020 übernahm der Duisburger Haniel-Konzern die Mehrheit. Es schien, als wäre Emma die perfekte Erfolgsstory aus Frankfurt.
Doch seit 2023 häufen sich die Probleme: Lieferverzögerungen, Rückrufaktionen, massive Beschwerden von Kunden – und ein Abbau von rund 18 % der Belegschaft. Parallel dazu laufen mehrere Gerichtsverfahren weltweit. Der Glanz des einstigen Vorzeige-Start-ups verblasst zusehends.
Was droht Emma jetzt?
Noch wurde keine konkrete Strafe festgelegt. Doch die australische Wettbewerbsbehörde hat in vergleichbaren Fällen hohe Summen durchgesetzt. Die Reiseplattform Trivago etwa musste nach einem ähnlichen Verfahren rund 32 Millionen Euro zahlen.
Bei der Fluglinie Qantas waren es sogar mehr als 60 Millionen. Für Emma dürften es vermutlich keine dreistelligen Millionenbeträge werden – aber auch eine Strafe im mittleren einstelligen Millionenbereich dürfte spürbar sein. Für ein Unternehmen, das ohnehin mitten in der Konsolidierung steckt, ist das mehr als ein Warnsignal.
Ein Branchenproblem – nicht nur bei Emma
Die aggressive Rabattstrategie ist kein Einzelfall. Auch in anderen Bereichen des E-Commerce – von Kleidung über Elektronik bis hin zu Reiseportalen – sind Countdown-Timer und scheinbare Preisnachlässe gängige Praxis. Viele Anbieter operieren am Rande der Legalität, oft in der Hoffnung, dass Wettbewerbsbehörden zu langsam oder zahnlos reagieren.
Doch das Klima ändert sich. Gerade in Australien und Großbritannien gehen Regulierer zunehmend gegen diese Taktiken vor. Der Fall Emma zeigt: Selbst international erfolgreiche Unternehmen können bei Missbrauch der psychologischen Kaufanreize schnell in den Fokus geraten – und Schaden nehmen, der weit über das Juristische hinausgeht.
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