Kreatin war jahrzehntelang das Poster-Kind für ambitionierte Fitnesspläne: günstig, gut erforscht, effektiv. Doch still und leise ist aus dem alten Muskelbooster ein wissenschaftliches Multitalent geworden. Forscher weltweit entdecken immer neue Einsatzbereiche – weit über die Hantelbank hinaus.
Das weiße Pulver, das früher fast ausschließlich von Männern in Shakerflaschen gerührt wurde, erlebt gerade seinen wissenschaftlichen zweiten Frühling.
Ein Kraftpaket für Zellen – nicht nur im Bizeps
Die biochemische Wirkung von Kreatin ist seit Langem bekannt: Es hilft dem Körper, Adenosintriphosphat (ATP) zu produzieren – das ist die Treibstoffwährung jeder Zelle.
Ohne ATP kein Leben, keine Bewegung, kein Denken. Rund 95 Prozent des körpereigenen Kreatins befinden sich in der Muskulatur. Doch der Rest? Im Gehirn. Und genau dort scheint es besonders spannende Effekte zu entfalten.
Gedächtnis-Booster und Entzündungshemmer?
Neuere Studien deuten darauf hin, dass Kreatin die kognitive Leistung steigern und das Gehirn vor oxidativem Stress schützen kann. In einem Pilotversuch zeigten Alzheimer-Patienten nach einer Kreatinkur leichte Verbesserungen in ihrer geistigen Leistungsfähigkeit.
Auch Hinweise auf eine antientzündliche Wirkung verdichten sich – ein möglicher Schlüssel im Kampf gegen neurodegenerative Erkrankungen.

Kreatin als Anti-Aging-Supplement
Dass das Gehirn ein Energiefresser ist, wussten Forscher schon lange – es verbraucht etwa 20 Prozent der gesamten Energie des Körpers. Was aber, wenn man dem Gehirn über Kreatin gezielt mehr Energie zur Verfügung stellt?
Erste Daten lassen vermuten: Der Effekt könnte größer sein als gedacht. Neben der Alzheimer-Forschung interessieren sich mittlerweile auch Longevity-Start-ups und Altersforscher für das Muskelmittel. Ihre Vision: Kreatin als Bestandteil eines täglichen Präventionscocktails gegen die Zellalterung.
Die stille Revolution im Drogerieregal
In den USA ist der Hype längst angekommen. Dort verzeichnet der Kreatin-Markt zweistellige Wachstumsraten, die Umsätze sind seit 2019 um über 300 Prozent gestiegen. Frauen – einst unterrepräsentiert in der Zielgruppe – entdecken das Pulver zunehmend für sich.
Es sind nicht mehr nur Fitnessfreaks, die kaufen, sondern Menschen mit ganz anderen Zielen: mehr Energie im Alltag, besserer Fokus, gesündere Zellen.
Von der Sporthilfe zur Systemtherapie?
Ein bemerkenswerter Aspekt: Kreatin gilt nicht nur als wirksam, sondern auch als ausgesprochen sicher. Anders als viele Nahrungsergänzungsmittel wurde es über Jahrzehnte hinweg intensiv erforscht – mit durchweg positiven Ergebnissen.
Selbst kritische Wissenschaftler wie Professor Darren Candow, einer der führenden Kreatinforscher, zeigen sich beeindruckt vom Wirkprofil: „Ich kenne keine andere Substanz mit dieser Bandbreite an gesicherten Effekten.“
Ein Pulver verändert seinen Ruf
Für Hersteller wie The Vitamin Shoppe ist klar: Kreatin wird zum Gesundheits-Allrounder. Das Unternehmen meldet einen rapiden Anstieg der Verkaufszahlen und spricht von einer regelrechten Neupositionierung – weg vom Bodybuilderimage, hin zum ganzheitlichen Wohlfühlprodukt.
Auch Apps wie SuppCo, die Nutzern dabei helfen sollen, passende Supplemente zu finden, führen Kreatin nun prominent als Mittel für mehr als nur Muskelaufbau.
Altes Mittel, neue Ära
Die eigentliche Überraschung: Kreatin ist weder neu noch teuer. Eine Tagesdosis kostet weniger als 50 Cent. Und doch könnte es eines der wenigen Mittel sein, die sowohl in Sportwissenschaft, Altersmedizin als auch Neurologie Brücken schlagen.
Es ist ein Beispiel dafür, dass die Grenze zwischen Lifestyle und Medizin zunehmend verschwimmt – und dass manche Nahrungsergänzungsmittel tatsächlich halten, was sie versprechen.
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