Kein Platz für kommunale Alleingänge
Mitten in der Debatte um mehr Nachhaltigkeit im Alltag zieht Bayern eine klare rote Linie: Kommunen dürfen künftig keine eigene Verpackungssteuer mehr einführen.
Das hat der Ministerrat in München beschlossen – und damit nicht nur einen Kontrapunkt zum grünen Vorreiter Boris Palmer in Tübingen gesetzt, sondern auch ein politisches Signal gesendet: Bürokratieabbau und wirtschaftliche Entlastung wiegen für die CSU-regierte Landesregierung derzeit schwerer als kleinteiliger Umweltschutz per Einweg-Cent.
Die CSU setzt auf Standortschutz
Innenminister Joachim Herrmann brachte die Entscheidung auf die für Bayern typische Mischung aus Ordnungspolitik und wirtschaftsnaher Haltung:
„Weder Bürger noch Betriebe sollen mit Spezialsteuern zusätzlich belastet werden.“
Gemeint sind die 20 bis 50 Cent, die in Städten wie Tübingen und Konstanz auf Wegwerfverpackungen fällig werden. Im Freistaat soll es dazu gar nicht erst kommen.
Die CSU sieht darin keinen Beitrag zur Abfallvermeidung, sondern einen drohenden Nachteil im Wettbewerb – vor allem für die von Inflation, Personalknappheit und Konsumzurückhaltung ohnehin gebeutelte Gastronomie.
Gastronomie, Handwerk, Mittelstand – alle ächzen
„Bayerns Betriebe kämpfen bereits ums Überleben“, heißt es aus der Staatskanzlei. Die Verpackungssteuer sei da der falsche Hebel zur falschen Zeit.
Statt ökologischer Lenkung sieht man eine neue Belastungswelle für kleine Cafés, Bäckereien, Metzgereien – und eine Bürokratiemaschine, die niemand bedienen will. Die Pflicht, Verpackungsmengen zu dokumentieren und abzugrenzen, sei schlicht unpraktikabel, so das Argument.
Ökoziele treffen auf ökonomische Realität
Tatsächlich hatte Tübingen 2022 mit der Verpackungssteuer bundesweit für Aufsehen gesorgt. Das Ziel: Weniger Einweg, mehr Pfand, mehr Umweltbewusstsein.

Und zumindest kurzfristig zeigte das Modell Wirkung – doch die Evaluierung nach zwei Jahren fiel gemischt aus: Zwar griffen einige Konsumenten häufiger zu Mehrwegbehältern, doch die Müllmenge sank kaum, und viele Betriebe klagten über höheren Aufwand und Unmut bei den Kunden. Auch der Handel sprach von messbaren Umsatzeinbußen.
Ein Flickenteppich mit politischem Sprengstoff
Was wie ein ökologisches Kleinthema wirkt, birgt politischen Zündstoff. Denn während grün geführte Städte an der Steuer festhalten oder sie prüfen, schiebt Bayern nun präventiv einen Riegel vor – und verweist dabei auch auf föderale Wettbewerbsverzerrung.
Ein Coffee-to-go dürfe nicht je nach Stadtgrenze unterschiedlich teuer sein. In einem Land mit einheitlicher Mehrwertsteuer, Einwegpfand und Verpackungsverordnung sei eine zusätzliche Kommunalsteuer ein Irrweg.
Rückwärtsgewandt oder realistisch?
Kritiker werfen Bayern vor, den Umweltschutz zugunsten kurzfristiger Standortvorteile auszuhebeln. Doch bei näherem Hinsehen zeigt sich: Der Freistaat setzt nicht auf Müll, sondern auf marktwirtschaftliche Steuerung statt dirigistische Eingriffe, zumindest auf kommunaler Ebene.
Und: Die Verpackungssteuer ist trotz ihrer moralischen Aufladung bislang kein durchschlagender Erfolg – sie polarisiert mehr, als dass sie verändert.
Das könnte Sie auch interessieren:
