10. September, 2025

Finanzen

Value ist zurück – und diesmal mit Ansage

Bewertungen auf Rekord, Risiken gebündelt, Renditeerwartungen schrumpfen: Das Börsenumfeld spielt Stockpickern in die Karten. Warum breite ETFs wackliger geworden sind – und wie modernes Value-Investing heute funktioniert.

Value ist zurück – und diesmal mit Ansage
Klumpenrisiko im „Breitmarkt“: Die „Magnificent Seven“ dominieren – ihr Gewicht liegt bei über 20 % im MSCI World; im S&P 500 vereinen die Top 10 rund 40 % der Marktkapitalisierung, das Top-Trio allein etwa 20 %.

Der Wendepunkt in Omaha – und an der Wall Street

Anfang Mai kündigte Warren Buffett seinen Rückzug aus dem Tagesgeschäft an und übergab die operative Verantwortung an Greg Abel. Es war ein symbolisches Ende einer Ära – und zugleich der Startschuss für eine Debatte, die längst in den Märkten tobt: Steht wertorientiertes Investieren vor einem Comeback, während Indexprodukte auf immer weniger Schultern ruhen?

Die Frage ist berechtigt: Selbst große Indexanbieter und Häuser warnen vor niedrigeren Renditepfaden, während die Marktbreite dünn bleibt.

Das neue Klumpenrisiko – sieben Aktien, ein Markt

Die Rally trägt vor allem die „Magnificent Seven“ – Apple, Microsoft, Nvidia, Alphabet, Amazon, Meta, Tesla. Ihr Anteil am S&P 500 bewegt sich auf Rekordhöhe; in der Spitze vereinigten die sieben rund ein Drittel der Indexkapitalisierung auf sich.

Für passive Sparer bedeutet das: Wer „den Markt“ kauft, wettet überdurchschnittlich auf eine Handvoll Tech-Giganten. Ein Ausrutscher eines Schwergewichts schlägt heute stärker auf ganze Portfolios durch als früher.

Bewertungssignale blinken – bis zum Buffett-Indikator

Die Überhitzung lässt sich messen: Der Buffett-Indikator (Gesamtmarktkapitalisierung zu BIP) sprang im Sommer über 200 Prozent und markierte neue Hochs – historisch ein Warnlicht. Parallel zeigt der Sektor-Mix eine ungesunde Schieflage zugunsten weniger KI-Profiteure.

Warnlampe Bewertung: Der Buffett-Indikator (US-Marktkapitalisierung zu BIP) markierte Rekordwerte um ≈ 212 % – deutlich über der 150 %-Schwelle, die als Überhitzung gilt.

Selbst Ökonomen, die in den vergangenen Jahren zu den nüchternsten Stimmen zählten, sprechen offen von einer „größeren AI-Blase als in den 1990ern“.

Was „Value“ 2025 wirklich bedeutet

Klassisches Value war nie stumpfes KGV-Sortieren. Die moderne Disziplin verbindet drei Säulen:

  1. Bewertung (Cashflow-, Gewinn- und Substanzkennzahlen),
  2. Qualität (hohe Kapitalrenditen, saubere Bilanzen, Preissetzungsmacht),
  3. Zeit (konsequente Kapitalallokation mit längerem Horizont).
    Der Ansatz unterscheidet zwischen „billig“ und „günstig“ – und schließt hochwertige Wachstumsfirmen nicht aus, wenn Preis und Pfad zusammenpassen. Das ist der Bruch mit der Karikatur, Value sei „anti-Growth“.
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Drei Kräfte, die Value Rückenwind geben

1) Bewertungsspreizung: Die Lücke zwischen den teuersten und den günstigen Titeln ist historisch weit geöffnet – je breiter das Delta, desto mehr Munition für selektives Stockpicking.
2) Regimewechsel: Zölle, geopolitische Brüche, industriepolitische Eingriffe – all das schafft Gewinner und Verlierer jenseits von Indexlogik. „One size fits all“ wird schwieriger.
3) Korrelationen im Stress: Spätestens 2022 hat gezeigt, dass die negative Korrelation von Aktien und Anleihen nicht garantiert ist. Wer Diversifikation ernst meint, braucht zusätzliche Ertragsquellen jenseits des 60/40-Baukastens.

Das stille Umschichten des Smart Money

Kapitalflüsse deuten auf einen Stilwechsel: Hedgefonds verzeichnen die höchsten Quartalszuflüsse seit mehr als einem Jahrzehnt – insbesondere Strategien, die selektiv bewerten und Makro-Volatilität nutzen.

Das spricht dafür, dass professionelle Anleger breiter und aktiver positionieren.

ETFs bleiben nützlich – aber nicht als Autopilot

Breite Indizes wie der MSCI World oder ACWI bleiben solide Gerüste – doch sie bilden die Realität heute stark USA-/Tech-lastig ab.

Wer Value will, kann Faktor-ETFs nutzen; sie filtern jedoch „nur“ nach Stilmerkmalen und kommen nicht an tiefes, unternehmensspezifisches Research heran. Alternativ existieren Nischenprodukte, die sich explizit am Berkshire-Kosmos orientieren (Ticker: OMAH) – oder man wählt gleich Berkshire selbst als Ankerposition.

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Praxisleitfaden für Entscheider – fünf Prüfsteine

  1. Bewertungsdisziplin: Freier Cashflow-Ertrag, EV/EBIT, Kurs zu „Owner Earnings“ – nicht nur KGV.
  2. Kapitalrendite & Moat: Nachhaltige ROIC über Kapitalkosten, Preissetzungsmacht, Markteintrittsbarrieren.
  3. Bilanzqualität: Netto-Verschuldung, Covenants, Refinanzierungsfälligkeiten im Zinsregime 2025+.
  4. Katalysatoren: Re-Ratings brauchen Auslöser – Portfolioumbau, Pricing-Power, Sondereffekte, M&A.
  5. Risikobudget: Positionsgrößen, Drawdown-Toleranz, klare Exit-Regeln. Value ist kein „Buy and forget“, sondern „Buy, verify, act“.

Der unbequeme Teil – Gegenargumente gehören dazu

Nicht jedes „günstig“ ist unterbewertet: Strukturelle Verlierer (z. B. mit schrumpfendem Endmarkt) bleiben Value-Fallen. Außerdem können Mega-Caps mit echtem Ertragswachstum teurer bleiben, als es Lehrbücher erlauben.

Und: Politische Überraschungen (Handel, Regulierung, Wahlen) verzerren Bewertungsmodelle schneller als in ruhigen Phasen. Wer Value ernst meint, kalkuliert diese Unsicherheiten ein – und preist sie ein.

Was bleibt – jenseits der Legende

Buffett verabschiedet sich aus dem Tagesgeschäft, doch das Handwerk bleibt zeitgemäß: Preis und Wert auseinanderhalten, Geduld bewahren, Liquidität als Option begreifen. Bemerkenswert: Berkshire häuft parallel eine historisch hohe Cash-Position – ein Indiz, dass Disziplin wichtiger ist als Aktionismus, wenn Bewertungen davonlaufen.

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