Die US-Wirtschaft hat im dritten Quartal mehr Dynamik entfaltet als selbst Optimisten erwartet hatten. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs annualisiert um 4,3 Prozent. Prognostiziert worden war lediglich ein Plus von 3,3 Prozent. Damit übertraf das Wachstum sogar das starke zweite Quartal, in dem die Wirtschaft um 3,8 Prozent zugelegt hatte.
Veröffentlicht wurden die Zahlen verspätet. Wegen des wochenlangen Shutdowns mehrerer Bundesbehörden konnte das Bureau of Economic Analysis seine erste Schätzung erst kurz vor Weihnachten vorlegen. Der Befund fällt umso deutlicher aus.
Konsum bleibt der zentrale Wachstumsmotor
Der entscheidende Treiber war erneut der private Konsum. Rund die Hälfte des gesamten Wachstums geht auf die Ausgaben der US-Haushalte zurück. Besonders stark zogen die Ausgaben für Gesundheitsdienstleistungen, Freizeitgüter und Autos an.
Ein Sondereffekt spielte dabei eine Rolle. Am 30. September – dem letzten Tag des dritten Quartals – liefen staatliche Kaufanreize für Elektroautos aus. Viele Verbraucher dürften ihre Anschaffungen vorgezogen haben, um die Subventionen noch mitzunehmen.
Hinzu kamen höhere Ausgaben für Auslandsreisen und Medikamente. Auch der Außenhandel trug zum Wachstum bei: Sinkende Importe und steigende Exporte wirkten positiv auf das BIP. Die öffentlichen Ausgaben legten ebenfalls leicht zu.
Stärker als erwartet – aber nicht nachhaltig
Ökonomen mahnen dennoch zur Vorsicht. „Es war ein gutes Quartal, aber das wird sich im vierten Quartal nicht fortsetzen“, sagte Brian Bethune vom Boston College gegenüber Reuters. Die finanzielle Lage vieler Haushalte bleibe angespannt.
Damit verweist Bethune auf eine strukturelle Spaltung der US-Konjunktur. Ein wohlhabender Teil der Bevölkerung konsumiert weiter kräftig und stabilisiert die Wirtschaft. Gleichzeitig schränken einkommensschwächere Haushalte ihre Ausgaben zunehmend ein.
Konsum auf Pump verliert an Kraft
Daten der Bank of America zeigen, dass viele Haushalte mit niedrigerem Einkommen von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck leben. Ein wachsender Teil des Budgets fließt in Lebensmittel, während Ausgaben für Restaurantbesuche, Kleidung, Flugreisen und Hotels zurückgehen.
Das deutet darauf hin, dass die Konsumdynamik an ihre Grenzen stößt. Steigende Preise, ausgelaufene staatliche Unterstützungen und hohe Kreditkosten drücken auf die verfügbaren Einkommen. Der kräftige Zuwachs im dritten Quartal könnte daher eher das letzte Aufbäumen gewesen sein als der Start eines neuen Aufschwungs.

US-Zahlen nur bedingt vergleichbar
Hinzu kommt ein statistischer Aspekt. US-Wachstumsraten werden annualisiert ausgewiesen. Das bedeutet, sie zeigen, wie stark die Wirtschaft wachsen würde, hielte das Quartalswachstum ein ganzes Jahr an. Um sie grob mit europäischen Daten zu vergleichen, müsste der Wert durch vier geteilt werden.
Selbst dann bleibt das Wachstum solide – aber weniger spektakulär, als die Schlagzeile vermuten lässt.
Daten mit Vorbehalt
Die Aussagekraft der Zahlen ist zudem eingeschränkt. Wegen des Shutdowns fehlten über Wochen hinweg wichtige Konjunktur- und Inflationsdaten. Auch das BEA weist darauf hin, dass die jetzige Schätzung unvollständig sein könnte. In den kommenden Revisionen sind spürbare Korrekturen möglich.
Das gilt auch für andere jüngst veröffentlichte US-Daten, die ebenfalls mit Warnhinweisen versehen wurden. Die Unsicherheit über den tatsächlichen Zustand der Wirtschaft bleibt hoch.
Starkes Quartal mit Ablaufdatum
Unterm Strich zeigt das dritte Quartal eine US-Wirtschaft, die kurzfristig robuster ist als erwartet – getragen von Konsum und Sondereffekten. Gleichzeitig mehren sich die Anzeichen, dass diese Dynamik nicht von Dauer ist.
Der Aufschwung wirkt solide, aber nicht selbsttragend. Für das vierte Quartal erwarten viele Ökonomen eine spürbare Abkühlung. Das starke Wachstum kommt – mit Verzögerung – und könnte ebenso schnell wieder verpuffen.


