19. Oktober, 2025

US-Wirtschaft tritt auf der Stelle – Fed zwischen KI, Jobabbau und Zinsdruck

Das Beige Book der US-Notenbank zeigt: Die größte Volkswirtschaft der Welt wächst kaum noch. Firmen streichen Stellen, investieren in KI und kämpfen mit Zöllen – während die Fed über den nächsten Zinsschritt ringt.

US-Wirtschaft tritt auf der Stelle – Fed zwischen KI, Jobabbau und Zinsdruck
Das „Beige Book“ der Federal Reserve beschreibt eine US-Wirtschaft im Stillstand – trotz voller Auftragsbücher in Teilen der Industrie.

Wirtschaft im Leerlauf

Die Konjunktur der Vereinigten Staaten hat an Schwung verloren. Laut dem neuen „Beige Book“ der Federal Reserve – einem Stimmungsbericht aus den zwölf regionalen Notenbankbezirken – hat sich die wirtschaftliche Aktivität in den vergangenen Wochen „kaum verändert“. Wachstum? Fehlanzeige.

Besonders auffällig: Während sich der Arbeitsmarkt insgesamt stabil zeigt, melden zunehmend mehr Unternehmen Stellenstreichungen. In fast allen Regionen berichten Firmen von Entlassungen oder dem Abbau offener Positionen. Die Gründe reichen von schwächerer Nachfrage über steigende Unsicherheit bis hin zu höheren Investitionen in Künstliche Intelligenz.

Was früher Routinearbeit war, übernehmen nun Algorithmen. KI-Projekte verschlingen Milliarden, sparen aber Personal – und machen sich erstmals deutlich in der US-Beschäftigungsstatistik bemerkbar.

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KI ersetzt Arbeitsplätze – Fachkräfte fehlen trotzdem

Die paradoxe Situation: Während Unternehmen im Technologiebereich Mitarbeiter abbauen, fehlen an anderer Stelle die Hände. Das Beige Book nennt insbesondere das Gastgewerbe, den Bau, die Landwirtschaft und Teile der Industrie.

Ursache sei eine restriktivere Einwanderungspolitik, die viele Branchen hart trifft. In Kalifornien stehen Felder leer, in Texas suchen Bauunternehmen händeringend nach Arbeitskräften, und in New York klagen Hotels über Personalmangel – trotz konjunktureller Flaute.

Die Folge ist eine ungewöhnliche Mischung: steigende Löhne in arbeitsintensiven Branchen, Kostendruck in der Industrie und sinkende Margen in Sektoren mit hoher Automatisierung.

Zölle verteuern Vorleistungen

Erschwerend kommt hinzu: Die jüngsten Zollmaßnahmen Washingtons gegen China und andere Handelspartner zeigen Wirkung. Viele Bezirke melden laut Fed höhere Kosten für Vorprodukte – von Stahl über Elektronik bis hin zu landwirtschaftlichen Gütern.

Doch nicht alle Unternehmen geben die Mehrkosten weiter. Während große Konzerne sie in ihren Preisen verstecken, bleiben kleine Betriebe häufig darauf sitzen. Das drückt auf deren Wettbewerbsfähigkeit – und könnte den Trend zu Konsolidierungen in der US-Industrie beschleunigen.

Datenlücke durch den Shutdown

Weil der US-Regierungsstillstand viele Ministerien teilweise lahmgelegt hat, fließen derzeit weniger Wirtschaftsdaten in die Entscheidungsprozesse der Fed ein. Umso wichtiger wird das Beige Book, das auf direkten Unternehmensbefragungen beruht.

Für die Notenbank ist das mehr als nur Statistik. Es ist eine Momentaufnahme der Stimmung in der Wirtschaft – und die zeigt derzeit: Ernüchterung.

Fed in der Zwickmühle

Am 29. Oktober steht der nächste Zinsentscheid an. Experten rechnen mit einer weiteren Senkung um 0,25 Prozentpunkte – auf dann 3,75 bis 4,00 Prozent. Die Fed hatte bereits im September die Zinsen leicht gesenkt, um die Wirtschaft zu stützen.

Doch im geldpolitischen Ausschuss herrscht Uneinigkeit. Während einige Notenbanker weitere Lockerungen fordern, warnen andere vor einem zu laschen Kurs, der die Inflation wieder anheizen könnte.

Fed-Chef Jerome Powell gab sich zuletzt zurückhaltend: Die Aussichten für Inflation und Arbeitsmarkt hätten sich „nicht wesentlich verändert“. Übersetzt heißt das: Die Unsicherheit bleibt – und mit ihr das Risiko, dass die Fed zu spät oder zu früh reagiert.

IWF dämpft Erwartungen

Auch der Internationale Währungsfonds rechnet mit weniger Wachstum. Für 2025 und 2026 erwartet der IWF ein Plus von jeweils rund 2 Prozent – nach 2,8 Prozent im Jahr 2024. Die US-Wirtschaft verliert also an Tempo, auch wenn sie im internationalen Vergleich weiter robust wirkt.

Hinter den Zahlen steckt jedoch ein struktureller Wandel: Der Übergang zur KI-Ökonomie, die Abhängigkeit von staatlicher Fiskalpolitik und eine zunehmend gespaltene Arbeitswelt.

Der neue Normalzustand

Die Vereinigten Staaten erleben derzeit das, was Ökonomen als „technologische Stagnation“ bezeichnen könnten: hohe Investitionen, wenig messbares Wachstum, ungleiche Effekte. Während KI-Unternehmen an der Börse glänzen, schrumpft die reale Wirtschaft vielerorts.

Das Beige Book liest sich damit wie ein Frühwarnsystem – ein Signal, dass der amerikanische Boom der vergangenen Jahre an seine Grenzen stößt. Die Wirtschaft läuft weiter, ja, aber im Leerlauf. Und das ausgerechnet in einem Wahljahr, in dem Stillstand politisch gefährlicher ist als jeder Abschwung.

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