02. Dezember, 2025

Politik

Union und SPD zwingen den Rentenkonflikt in eine neue Ordnung

Die Koalition beschließt ihr Rentenpaket – und öffnet gleichzeitig die Tür zu einer zweiten, weit größeren Reform. Der Kompromiss reicht von Arbeitsmarktpolitik bis zum Verbrenner-Streit.

Union und SPD zwingen den Rentenkonflikt in eine neue Ordnung
Die Koalition beschließt das Rentenpaket unverändert und bereitet parallel eine umfassende zweite Reform vor.

Der nächtliche Deal stabilisiert die Koalition nur vorläufig

Um 2:30 Uhr stand fest, was tagelang auf der Kippe gestanden hatte: Schwarz-Rot einigt sich auf das komplette Rentenpaket – unverändert, ohne Nachbesserungen, ohne neue Verhandlungsrunden. Kanzler Friedrich Merz und die Spitzen von CSU und SPD haben damit einen Konflikt beigelegt, der nicht nur das Reformprojekt, sondern die gesamte Koalition gefährdete.

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Die SPD setzte durch, dass der bestehende Gesetzentwurf nächste Woche im Bundestag genau in der vorliegenden Form verabschiedet wird. Die Junge Gruppe der Union, die das Paket wegen der Stabilisierung des Rentenniveaus bis 2031 lange ablehnte, bekommt im Gegenzug eine klare Perspektive: eine umfassende zweite Reformrunde. Damit verschiebt sich die Reformdynamik – weg vom aktuellen Paket, hin zu einer größeren Systemdebatte.

Die Jungen sollen zustimmen, der Preis ist ein Reformversprechen

Das Rentenpaket enthält sechs Elemente: Mütterrente, Aktivrente, stabilisiertes Rentenniveau, Reformen der betrieblichen Vorsorge, die Frühstartrente für den frühen Vermögensaufbau junger Menschen sowie eine Überarbeitung der Riester-Rente. Das alles soll in einem Durchgang beschlossen werden – die SPD hatte dafür hart gekämpft.

Der Widerstand der jungen Unionsabgeordneten bleibt das entscheidende Risiko. Sie bemängeln, das stabilisierte Rentenniveau überfordere ihre Generation. Merz gibt sich optimistisch: Er rechne mit Zustimmung. Doch vollständig sicher ist die Mehrheit erst, wenn die Junge Gruppe die Verabredungen mitträgt.

Ihr Zugeständnis ist ein Entschließungsantrag, der das Fundament für ein „Rentenpaket 2“ legt. Eine Kommission, die noch im Dezember starten soll, erhält einen ungewöhnlich detaillierten Arbeitsauftrag. Ihr Ziel: ein kompletter Neuaufbau des deutschen Altersvorsorgesystems.

Das zweite Rentenpaket zielt auf die Grundstatik des Systems

Die Kommission soll klären, wie lange künftig gearbeitet wird, wie Renten steigen dürfen, wie Beitragssätze stabil bleiben und wie Kapitalmärkte stärker einbezogen werden können. Auch die betriebliche Altersvorsorge – vor allem in kleinen Betrieben – soll neu geordnet werden.

Die Union erreicht, dass die Verlängerung der Lebensarbeitszeit ausdrücklich geprüft wird. Wirtschaftsministerin Katharina Reiche hatte diese Forderung zuletzt öffentlich vorangetrieben. Die SPD wiederum bringt ihre Linie ein: die Ausweitung der Rentenversicherung auf weitere Berufsgruppen wie Beamte und Selbstständige. Beide Positionen stehen nun gleichberechtigt im Pflichtenheft.

Umstritten ist der Punkt, ob auch Kapitalerträge – Zinsen, Dividenden – künftig zur Beitragsbemessung gehören. Die Union hatte das im Wahlkampf ausgeschlossen, im Arbeitsauftrag taucht der Punkt trotzdem auf. Die Kommission wird damit zum Ort, an dem beide Lager ihre Grundannahmen testen müssen.

Die neue Kommission wird zur Machtfrage

Das Gremium soll aus 13 Mitgliedern bestehen, geführt von zwei Vorsitzenden, die Arbeitsministerium und Kanzleramt gemeinsam nominieren. Dazu kommen drei stellvertretende Vorsitzende – zwei von der Union, einer von der SPD. Die Fraktionen dürfen zudem je vier Wissenschaftler benennen.

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Dass Beschlüsse im Konsens erfolgen sollen, aber auch mit Mehrheit möglich sind, zeigt die politische Absicht: Die Union verschafft sich ein leichtes Übergewicht, die SPD erhält eine formale Mitsprache. Beide Seiten sichern sich ab – ein Hinweis darauf, wie eng der Spielraum geworden ist.

Für Fraktionschef Jens Spahn ist der Konflikt mehr als eine Detailfrage. „Es geht um die Regierungsfähigkeit der Union“, sagte er. Würde das Paket scheitern, stünde der Koalitionsvertrag infrage.

Merz und Söder liefern der Union außenpolitische und industriepolitische Erfolge

Parallel zur Renteneinigung löste die Koalition zwei weitere Streitpunkte. CSU-Chef Markus Söder erreichte eine Neuinterpretation des Verbrenner-Aus der EU. Deutschland fordert in einem Schreiben an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die Regulierung flexibler zu fassen. Der Begriff „Hightech-Verbrenner“ soll ermöglichen, dass bestimmte Motoren auch nach 2035 zugelassen bleiben.

Für Söder ist der Verbrenner politisches Symbol. „Ein Symbol für Freiheit“, sagt er vor der Fraktion. Die SPD hatte den Widerstand monatelang blockiert und gibt nun nach – auch, um die Gesamteinigung nicht zu gefährden.

Zudem wird die staatliche Kaufprämie für Fahrzeuge wieder geöffnet: Drei Milliarden Euro stehen bereit, und künftig sollen nicht nur Elektroautos, sondern auch Hybridmodelle gefördert werden. In der Spitze geht es um bis zu 5000 Euro pro Fahrzeug. Auch dies ist ein Erfolg der CSU, die den Kaufanreiz als industriepolitisches Instrument betrachtet.

Der Streit ist bereinigt, aber nicht beendet

Das Rentenpaket schafft Ruhe für eine Woche. Mehr nicht. Die Kommission, die im Dezember startet, entscheidet über die Richtung der kommenden Jahre. Sie wird über Arbeitszeit, Beitragssätze, Kapitalmarktmodelle und Generationenbalance verhandeln – und damit über den politischen Kern einer Koalition, die sich programmatisch weit auseinanderentwickelt hat.

Die Union hat den politischen Druck entschärft. Doch die eigentliche Auseinandersetzung beginnt erst jetzt.

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