Donald Trump liebt große Zahlen. Milliarden, Billionen, Rekorde. In Mount Pocono feiert er seine Handelskriege als historischen Erfolg. Strafzölle hätten Investitionen ausgelöst, Jobs geschaffen, Amerika gerettet. Die Realität hinter der Bühne sieht nüchterner aus – und deutlich problematischer.
Trumps Handelspolitik basiert auf einem simplen Weltbild
Für Trump ist das Handelsdefizit der Beweis eines systematischen Betrugs. Wer mehr in die USA exportiert als importiert, nutzt Amerika aus – so die Logik. Strafzölle sollen dieses Ungleichgewicht korrigieren und Produktion zurückholen.
Doch Volkswirtschaften funktionieren nicht wie Firmenbilanzen. Defizite entstehen nicht primär durch „unfaire“ Handelspartner, sondern durch Kapitalflüsse, Konsumneigung und Wechselkurse. Genau diesen Zusammenhang blendet Trumps Politik aus – mit messbaren Folgen.

Das Handelsdefizit wächst trotz historischer Zölle
Das erklärte Hauptziel der „America-first“-Politik wird verfehlt. Bis September 2025 summierte sich das US-Handelsbilanzdefizit auf 765,1 Milliarden Dollar – 17,2 Prozent mehr als im Vorjahr. Bereits 2024 war mit über 900 Milliarden Dollar ein Rekord erreicht worden.
Selbst massive Zölle auf chinesische Produkte ändern daran wenig. Der bilaterale Handel mit China schrumpft zwar, doch die Gesamtbilanz bleibt negativ. Warenströme verlagern sich – sie verschwinden nicht.
China verliert Marktanteile in den USA, gewinnt global
Die durchschnittlichen US-Zölle auf chinesische Waren liegen inzwischen bei rund 47,5 Prozent. Die direkten Exporte Chinas in die USA sind deutlich gesunken. Gleichzeitig erreicht der chinesische Handelsüberschuss neue Rekorde.
Der Grund ist banal: China findet andere Abnehmer. Vor allem Europa importiert mehr chinesische Waren. Trumps Zölle schwächen also nicht China – sie verändern lediglich die Routen des Welthandels.
Unberechenbarkeit wird zum wirtschaftlichen Risiko
Der „Liberation Day“ Anfang April markierte einen Wendepunkt. Trump erklärte faktisch der Welt den Handelskrieg. Aktien, Anleihen und Dollar fielen gleichzeitig – ein seltenes Warnsignal für systemische Unsicherheit.
Das Kernproblem ist nicht die Höhe der Zölle, sondern ihre Willkür. Berechnungsgrundlagen sind intransparent, Ausnahmen politisch motiviert, Abkommen jederzeit kündbar. Zölle werden zur Allzweckwaffe: gegen Drogenhandel, Migration, Verteidigungsausgaben oder schlicht gegen Überschüsse anderer Länder.
Planbarkeit, das wichtigste Gut für Investitionen, geht verloren.

Unternehmen reagieren nicht mit Investitionen, sondern mit Sparprogrammen
Trumps zentrales Versprechen lautet: Zölle holen die Industrie zurück. Die Praxis zeigt das Gegenteil. Unternehmen investieren nicht Milliarden in neue US-Werke, um möglicherweise temporäre Zölle zu umgehen.
Stattdessen kürzen sie Kosten. Prozesse werden verschlankt, Lieferketten angepasst, Personal abgebaut. Berater berichten von flächendeckenden Effizienzprogrammen – als Vorbereitung auf schwächere Nachfrage und steigende Inputpreise.
Der Konsument spürt die Zölle direkt
Was lange abstrakt blieb, landet zunehmend auf Rechnungen. Importzölle werden an Kunden weitergereicht – sichtbar, nachvollziehbar, politisch heikel.
Kleidung, Möbel, Elektronik, Maschinen: In vielen Branchen steigen Preise oder Margen brechen ein. Beides belastet Nachfrage und Wachstum. Die Zölle wirken wie eine Steuer – bezahlt von amerikanischen Haushalten.
Industrieindikatoren senden klare Warnsignale
Der ISM-Einkaufsmanagerindex verharrt seit Monaten unter der Wachstumsschwelle. Neuaufträge sinken, Einkaufskosten steigen. Besonders betroffen sind Industrie, Chemie, Holzverarbeitung, Möbel und Textilien.
Ökonomen sprechen offen von einem angeschlagenen Fertigungssektor. Der Arbeitsmarkt beginnt zu reagieren. Die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe verzeichnet den stärksten Anstieg seit Beginn der Corona-Pandemie.
Inflation wird zum politischen Bumerang
Importpreise steigen, die Inflation bleibt hartnäckig über dem Ziel der Notenbank. Fed-Chef Jerome Powell warnt vor einer möglichen zweiten Inflationswelle, ausgelöst durch Zölle.
Die Yale-Ökonomen des Budget Labs beziffern die Belastung konkret: Je nach Konsumverhalten verlieren US-Haushalte im Schnitt rund 1.250 Dollar Kaufkraft pro Jahr. Ein Wohlstandsverlust, der politisch schwer vermittelbar ist.
Trumps Einnahmen sind der Spiegel seiner Kosten
236 Milliarden Dollar Zoll-Einnahmen im Jahr 2025 – eine Zahl, auf die Trump stolz verweist. Was er verschweigt: Diese Einnahmen stammen überwiegend von US-Unternehmen und Konsumenten.
Zölle sind kein externer Gewinn. Sie sind eine Umverteilung innerhalb der eigenen Volkswirtschaft – mit erheblichen Reibungsverlusten.
Die internationale Ordnung zahlt den langfristigen Preis
Ratingagenturen reagieren. Scope stufte die USA auf AA- herab und verwies explizit auf die Unberechenbarkeit der Handelspolitik. Gemeint ist mehr als Wirtschaft: Trumps Zölle untergraben die Welthandelsordnung, die die USA selbst aufgebaut haben.
Was als Machtinstrument gedacht war, beschädigt Glaubwürdigkeit, Bündnisse und Planungssicherheit.
Trump hat ein „goldenes Zeitalter“ versprochen. Die Innovationskraft der USA könnte dieses Versprechen irgendwann einlösen – allerdings nicht wegen, sondern trotz einer Handelspolitik, die kurzfristige Einnahmen über langfristige Stabilität stellt.



