01. Juli, 2025

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Trump setzt Kanada unter Druck – und gewinnt: Was bedeutet das für Europa?

Kanada kippt seine Digitalsteuer – ausgerechnet am Vorabend ihres Inkrafttretens. Der Grund: massiver Druck aus Washington. Für die EU ist das ein Warnschuss. Denn Trumps Handelsstrategie hat ein klares Ziel: Unterwerfung durch Eskalation.

Trump setzt Kanada unter Druck – und gewinnt: Was bedeutet das für Europa?
Kanadas Digitalsteuer war bereits verabschiedet – doch unter massivem US-Druck zog Premier Carney das Gesetz nur Stunden vor Inkrafttreten zurück.

Kanadas Rückzieher: Ein Lehrstück in Trumpscher Machtausübung

Am Montag hätte Kanadas neue Digitalsteuer in Kraft treten sollen. Doch Premierminister Mark Carney zog das Gesetz in letzter Minute zurück.

Die Steuer hätte US-Tech-Giganten wie Google, Meta und Netflix auf ihren in Kanada erzielten Umsatz belastet – nicht auf die Gewinne, die diese Konzerne über ausgeklügelte Verrechnungspreise ohnehin minimieren.

Für Donald Trump war das eine Provokation. Der US-Präsident sprach von einem „offenkundigen Angriff“ auf Amerika und drohte mit dem Abbruch laufender Handelsgespräche. Am Ende lenkte Ottawa ein – die Steuer ist vom Tisch. Was bleibt, ist das Bild eines knallharten Verhandlers, der nicht zögert, wirtschaftliche Erpressung als Methode einzusetzen.

Ein Trump, fünf Druckpunkte – und Europa im Fadenkreuz

Die EU wird in wenigen Tagen an der gleichen Stelle stehen wie Kanada – nur härter. Am 9. Juli endet die Zollpause für viele europäische Exporte in die USA. Danach könnten neue Sonderabgaben greifen, wenn Brüssel nicht liefert. Doch was will Trump? Und was kann ihn aufhalten?

Die InvestmentWeek hat die fünf wunden Punkte identifiziert, an denen Trumps Handelsstrategie scheitern könnte – wenn Europa den Mut hat, sie auszunutzen.

1. Der Kapitalmarkt: Wenn Wall Street wackelt, wackelt Trump

Schon im Frühjahr 2025 zeigte sich, wie nervös Trump auf Marktsignale reagiert. Nach einer aggressiven Zollankündigung sackten Anleihekurse ab, der Dollar geriet unter Druck, Anleger verkauften sogar US-Staatsanleihen – ein Szenario, das sonst nur Schwellenländer trifft. Binnen Tagen ruderte Trump zurück, setzte ein 90-tägiges Moratorium durch.

Der Anleihemarkt hat Macht – und das weiß auch Trump. Wenn Investoren seine Politik als wirtschaftsfeindlich interpretieren, drohen ihm nicht nur Kursverluste, sondern vor allem ein Vertrauensverlust.

Die EU täte gut daran, Trumps größten Hebel im Auge zu behalten: seine eigene Abhängigkeit von stabilen Finanzmärkten.

Trump ließ im April neue Importzölle verkünden – erst der gleichzeitige Ausverkauf von Dollar, Aktien und Anleihen zwang ihn zum Rückzug.

2. Die US-Konsumenten: Trumps stille Gegner

Trumps Handelskrieg trifft letztlich die eigenen Bürger. Fast ein Drittel der Hersteller in New York gibt an, die Importzölle vollständig an Verbraucher weiterzugeben – das schlägt sich in Preisen nieder. Und das tut weh: Im Mai 2025 sanken die Konsumausgaben in den USA um 0,9 Prozent, bei Autos und Autoteilen sogar um 3,5 Prozent.

Gleichzeitig sparen die Amerikaner so viel wie nie – ein Rekordanteil von 14,3 % ihres Einkommens fließt in Altersvorsorgepläne. Das spricht nicht für Konsumfreude, sondern für Verunsicherung.

Für Trump ist das doppelt gefährlich: Die Wähler spüren die Folgen – und sind zunehmend unzufrieden mit seinem Kurs.

3. Die Wahl 2026: Zölle gegen Stimmen

Aktuelle Umfragen sehen Trumps Zustimmungswerte auf Talfahrt. Nur noch 41 % der Amerikaner stehen hinter ihm. Die Zwischenwahlen im Herbst 2026 könnten zur Abstimmung über seine Wirtschaftspolitik werden. Laut Prognosen des Center for Politics droht den Republikanern der Verlust beider Kammern.

Trump weiß: Ohne wirtschaftliche Erfolge steht auch seine Wiederwahl infrage. Deshalb könnte er im Spätsommer 2025 gezwungen sein, seinen Konfrontationskurs zu mäßigen – um rechtzeitig die wirtschaftliche Stimmung zu drehen. Für die EU wäre das der Moment, Stärke zu zeigen.

4. Die Ultima Ratio: Europas technologische Trumpfkarte

Ein Eskalationsszenario, das in Brüssel längst durchgespielt wird: Exportstopps für kritische Technologien.

Besonders die High-End-Lithografieanlagen des niederländischen Weltmarktführers ASML sind für die US-Chipindustrie unverzichtbar. Ein Lieferstopp oder auch nur ein Wartungsverbot könnte Nvidia, AMD und Intel empfindlich treffen.

Noch ist das eine theoretische Option. Aber die EU hätte damit ein Mittel in der Hand, das kaum vergeltbar ist – und ausgerechnet Trumps Amerika trifft, das sich als Technologiechampion inszeniert.

5. Die Digitalsteuer: Der Elefant im Verhandlungsraum

Der Rückzieher Kanadas hat die Digitalsteuer nicht erledigt – er hat sie aufgeladen. Während Trump mit weiteren Zöllen droht, arbeitet die EU bereits an eigenen Modellen. Deutsche Regierungsvertreter sprechen von bis zu zehn Prozent Umsatzsteuer für Digitalriesen. Eine Steuer, die gezielt US-Konzerne trifft – ohne klassischen Warenaustausch.

Für Trump ist das ein rotes Tuch. Die USA erzielen im digitalen Dienstleistungshandel mit Europa einen satten Überschuss. Eine Steuer auf diesen Sektor wäre für ihn ein echter Schlag – und eine Gelegenheit für Brüssel, klare Regeln zu etablieren. Oder wenigstens glaubhaft mit ihnen zu drohen.

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