Zinsschock am Bosporus
Als die türkische Regierung am 19. März mehrere Oppositionspolitiker verhaften ließ, reagierten die Märkte prompt: Die Zentralbank hob die Zinsen noch am selben Tag um 200 Basispunkte an.
Eine Woche später kamen weitere 350 hinzu. Die Botschaft war klar – man wollte Vertrauen zurückgewinnen. Doch das ist schwer, wenn die Politik gleichzeitig den Rechtsstaat zerlegt.
Fast 60 Milliarden Dollar ihrer Devisenreserven hat die türkische Zentralbank seither aufgebraucht, um die eigene Währung zu stützen. Viel bleibt nicht mehr. Und die Märkte wissen das.
Die Türkei zahlt für politische Instabilität – in Echtzeit
Die Risikoprämie für türkische Staatsanleihen ist deutlich gestiegen. Gleichzeitig sind die Inflationserwartungen hoch, obwohl die offizielle Teuerungsrate zuletzt zurückgegangen ist.
Das ist typisch für Länder, in denen die wirtschaftliche Realität nicht mehr vom Statistikamt bestimmt wird, sondern vom Bauchgefühl der Bevölkerung – und das traut weder der Politik noch den Behörden.
Die Türkei ist kein Einzelfall. Aber sie ist ein Lehrbuchbeispiel.
Die USA: Stabil, aber nicht unangreifbar
Wer jetzt meint, so etwas könne im Westen nicht passieren, irrt. Auch in den USA bröckelt das Vertrauen – langsam, aber spürbar. Die Inflationserwartungen der US-Bürger steigen, obwohl die gemessene Inflation zurückgeht.
Der Grund ist nicht wirtschaftlich, sondern politisch: Donald Trump hat während seiner Amtszeit immer wieder öffentlich Druck auf die US-Notenbank gemacht. Die Fed solle die Zinsen senken, wenn es seiner Agenda diene. Genau diese Art von Einflussnahme sorgt für Unruhe.

Die Unabhängigkeit der Notenbank ist kein Selbstläufer
In Schwellenländern gehört der politische Druck auf Zentralbanken zur Normalität. In Industrieländern galt lange das Gegenteil: Unabhängige Notenbanken garantieren Glaubwürdigkeit. Doch auch das ist nicht in Stein gemeißelt.
In der Türkei wurden in fünf Jahren fünf Zentralbankchefs entlassen. Jeder neue war politisch gefügiger als der vorherige. Die Folge: Zinspolitik wurde zu einer Frage der Loyalität, nicht der Fachlichkeit. Die Inflation explodierte, das Vertrauen brach weg.
In den USA ist man noch nicht so weit. Aber die Richtung ist sichtbar – und das macht Märkte nervös.
Vertrauen ist der Schlüssel – und schwer zu ersetzen
Der Unterschied zwischen einem stabilen und einem fragilen Land ist nicht nur die Wirtschaftskraft. Es ist das Vertrauen in Institutionen. In die Unabhängigkeit von Gerichten, Zentralbanken, Statistikbehörden.
Wenn dieses Vertrauen einmal beschädigt ist, hilft kein Zinsschritt mehr. Die Türkei erlebt das gerade – trotz extremer Zinsen bleibt das Misstrauen hoch.
Die Parallelen sind ernster, als viele glauben
Trumps Zolleskalationen gegenüber China, seine Angriffe auf die Fed, seine lautstarken Vorwürfe gegen Medien und Justiz – all das hat Spuren hinterlassen. Nicht nur politisch, sondern ökonomisch. Märkte beobachten solche Entwicklungen genau. Sie wissen: Wo die Politik unabhängige Institutionen schwächt, ist die nächste Krise oft nicht weit.
Warum Anleger jetzt genau hinschauen sollten
Die Türkei steht heute da, wo die USA morgen stehen könnten – wenn sich politische Eingriffe häufen. Wenn die Zentralbank nicht mehr als unabhängig wahrgenommen wird. Wenn Erwartungen sich von Daten entkoppeln. Dann verliert auch eine starke Wirtschaft ihre Stabilität.
Für Investoren ist das nicht nur ein theoretisches Risiko. Es geht um Vertrauen – und darum, wie schnell es verschwinden kann.