Ein Präsident wütet, ein Notenbanker schweigt. Im Oval Office des Weißen Hauses ist es am Donnerstag zu einem der heikelsten Gespräche dieses Wahljahres gekommen.
Donald Trump, Amerikas wohl lautester Zinssenkungsaktivist, empfing Jerome Powell, den vorsichtigen Chef der US-Notenbank. Offiziell ging es um „Wachstum, Beschäftigung und Inflation“ – tatsächlich aber um Macht, Einfluss und die Zukunft der geldpolitischen Glaubwürdigkeit der USA.
Ein Treffen mit Spannungen im Raum
Powell kam auf Einladung Trumps, und dass er überhaupt erschien, ist bemerkenswert. Schließlich hatte ihn der Präsident noch wenige Wochen zuvor öffentlich als „Dummkopf“ und „Narren“ beschimpft – wegen der ausbleibenden Zinssenkungen. Während der Aktienmarkt unter den Präsidenten-Tiraden zitterte, schwieg Powell öffentlich – bis jetzt.
Was beim Gespräch hinter verschlossenen Türen genau gesagt wurde, ist nicht bekannt. Doch die offizielle Stellungnahme seines Büros lässt kaum Zweifel daran, dass Powell sich nicht verbiegen lässt.
Der geldpolitische Kurs der Federal Reserve, heißt es darin, orientiere sich „ausschließlich an den Wirtschaftsdaten und deren Auswirkungen auf die Aussichten“. Objektiv, unpolitisch, gesetzestreu.
Ein Präsident mit Agenda
Donald Trump sieht das naturgemäß anders. Für ihn sind niedrige Zinsen keine technische Frage – sondern politisches Werkzeug. Ein boomender Aktienmarkt und billiges Geld könnten seine Wiederwahlchancen entscheidend verbessern. Und dafür muss Powell liefern.
Noch im Mai ätzte Trump auf einer Wahlkampfveranstaltung: „Jerome Powell versteht nichts. Die Zinsen gehören runter – sofort.“
Dass Powell trotz dieser Attacken im Amt bleiben darf – bis 2026 –, liegt nicht an Trumps Milde. Vielmehr würde ein Rausschmiss des Fed-Chefs einen Sturm auf den Finanzmärkten auslösen und die Glaubwürdigkeit der Notenbank weltweit erschüttern. Genau das kann sich auch ein Trump im Wahlkampf nicht leisten. Noch nicht.

Zinsfantasien und politische Realität
Der Leitzins liegt aktuell in einer Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent – so hoch wie seit über zwei Jahrzehnten nicht mehr.
Die Inflation ist rückläufig, aber hartnäckig, vor allem im Dienstleistungssektor. Zwar rechnet ein Teil des Marktes mit zwei Zinssenkungen noch in diesem Jahr – doch die Fed gibt sich vorsichtig.
Powell selbst vermeidet konkrete Ankündigungen. Jede Aussage, so seine Devise, müsse sich an „sorgfältiger Analyse“ orientieren. Hinter den Kulissen ist bekannt: Die Notenbank fürchtet ein Comeback der Inflation mehr als die politische Ungeduld des Weißen Hauses.
Der gefährlichste Druck in der Finanzwelt
Historiker verweisen auf die 1970er Jahre: Damals setzte Präsident Nixon den damaligen Fed-Chef Arthur Burns so massiv unter Druck, dass dieser zu früh die Zinsen senkte – mit verheerenden Folgen.
Die Inflation explodierte. Jahrzehnte später ist diese Lektion im Gedächtnis der Fed fest eingebrannt. Powell weiß: Ein Einknicken vor Trump könnte Vertrauen zerstören, das sich nicht so leicht wiederherstellen lässt.
Eine heikle Balance – auch für die Märkte
An den Börsen wird das Tauziehen genau beobachtet. Investoren fürchten weniger die Zinsen selbst als die politische Einflussnahme auf deren Festlegung. Denn sie signalisiert Instabilität. Schon Trumps verbale Ausfälle Anfang Mai ließen den Dow Jones kurzfristig abrutschen.
Sollte sich das Narrativ verstärken, dass die Fed ein politischer Spielball wird, dürften Kapitalflüsse ins Ausland zunehmen – mit erheblichen Konsequenzen für den Dollar und das Vertrauen in den US-Markt.
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