Blitzstart mit Symbolkraft
Es ist ein Börsendebüt, wie es Deutschland lange nicht gesehen hat: Der U-Boot- und Fregattenbauer Thyssen-Krupp Marine Systems (TKMS) startet an der Frankfurter Börse mit einem Kurs von 60 Euro – und klettert im frühen Handel zeitweise auf 96 Euro.
Mit einer Marktbewertung von rund 3,8 Milliarden Euro übertrifft TKMS alle Erwartungen. Analysten hatten im Vorfeld lediglich mit 2,3 bis 2,7 Milliarden gerechnet. Der Sprung nach oben zeigt, wie heiß die Verteidigungsbranche derzeit gehandelt wird. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine gilt sie als einer der wenigen Wachstumssektoren in Europa.
Gewinner TKMS, Verlierer Thyssen-Krupp
Für den Mutterkonzern Thyssen-Krupp ist der Schritt ein Befreiungsschlag – aber kein schmerzfreier. Während die neue Tochter an der Börse glänzt, verliert die Thyssen-Krupp-Aktie rund 20 Prozent und fällt auf 9,69 Euro.
Das liegt weniger an den Fundamentaldaten, sondern an der Logik des Spin-offs: Die margenstärkste Sparte ist nun eigenständig. Thyssen-Krupp hält noch 51 Prozent der Anteile und behält damit den strategischen Einfluss, die restlichen 49 Prozent wurden auf die Aktionäre verteilt – je 20 Thyssen-Krupp-Aktien ergaben eine TKMS-Aktie.
Ein Traditionsunternehmen wird eigenständig
TKMS ist kein Start-up, sondern eine der traditionsreichsten Werften Europas. Der Ursprung reicht bis ins Jahr 1838, zur Kieler Howaldtswerke-Deutsche Werft (HDW). Nach Jahren wechselnder Eigentümer übernahm Thyssen-Krupp die Marinesparte 2005 vollständig.
Heute beschäftigt TKMS rund 8.300 Mitarbeiter, davon 3.700 in Kiel. Weitere Standorte liegen in Wismar, Hamburg, Bremen, Emden und im brasilianischen Itajaí. Vorstandschef ist Oliver Burkhard, der einst Personalvorstand bei Thyssen-Krupp war.
Aufträge bis in die 2040er-Jahre
Die Auftragsbücher sind voll – und zwar über Jahrzehnte. Zuletzt bewilligte der Bundestag den Bau von vier neuen U-Booten der Klasse 212CD für die Deutsche Marine, gemeinsam mit Norwegen. Insgesamt sollen zehn Boote entstehen, sechs für Deutschland, vier für die norwegische Marine.
Das aktuelle Auftragsvolumen liegt bei 18,5 Milliarden Euro, die Fertigung ist bis Anfang der 2040er-Jahre gesichert. Zudem läuft ein milliardenschweres Bieterverfahren um einen kanadischen Auftrag über bis zu zwölf konventionelle U-Boote. Konkurrenz kommt aus Südkorea – der Ausgang ist offen, der Auftrag strategisch entscheidend.

Symbol für den neuen Rüstungsboom
Der Börsengang markiert mehr als nur einen Konzernumbau: Er steht sinnbildlich für die Rückkehr einer Industrie, die in Deutschland lange politisch geächtet war. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs hat sich die Wahrnehmung radikal geändert – Verteidigung gilt nicht mehr als moralisch fragwürdig, sondern als sicherheitspolitisch notwendig.
Investoren wittern Chancen, die Politik spricht von Zeitenwende, und Konzerne wie Rheinmetall, Hensoldt und jetzt TKMS erleben eine Nachfrage, wie sie sie seit Jahrzehnten nicht kannten.
Ein erfolgreicher Start – aber kein Selbstläufer
Trotz des fulminanten Auftakts steht TKMS vor großen Aufgaben: steigende Energiekosten, Fachkräftemangel und geopolitische Risiken könnten die Margen belasten. Auch der politische Gegenwind bleibt ein Faktor – zu groß ist die öffentliche Sensibilität bei Rüstungsexporten.
Doch an der Börse herrscht Euphorie. TKMS ist das neue Aushängeschild einer Branche im Aufwind – und für Thyssen-Krupp zugleich ein Signal, dass alte Industrien noch immer Zukunft haben können, wenn sie sich neu erfinden.
Ein Börsendebüt mit Wucht – und ein Zeichen, dass die Verteidigungsindustrie in Deutschland endgültig aus dem Schatten tritt. TKMS hat geliefert. Jetzt muss das Unternehmen beweisen, dass es nicht nur Kursfeuerwerke, sondern auch nachhaltige Gewinne produzieren kann.
