Tim Cook kauft nicht oft – und schon gar nicht impulsiv. Umso größer ist die Aufmerksamkeit, die sein jüngster Schritt auslöst. Der Chef von Apple hat seine Beteiligung am angeschlagenen Sportartikelkonzern Nike nahezu verdoppelt. 50.000 zusätzliche Aktien, ein Volumen im Millionenbereich, erworben am freien Markt. In einer Phase, in der viele Investoren Nike meiden, wirkt der Kauf wie ein bewusst gesetzter Kontrapunkt.
Ein Kauf auf dem Höhepunkt der Skepsis
Das Timing ist bemerkenswert. Nike steckt in einer operativen Schwächephase, die Zahlen zum zweiten Quartal des Fiskaljahres 2026 fielen enttäuschend aus. Der Nettogewinn brach um 32 Prozent auf 792 Millionen US-Dollar ein, der Umsatz in China sank um 17 Prozent. Hinzu kommen Sorgen über höhere Zölle und eine anhaltende Konsumflaute in Asien.
An der Börse ist die Skepsis entsprechend ausgeprägt. Genau hier setzt Cook an. Marktbeobachter sprechen von „Peak Skepticism“ – jenem Punkt, an dem negative Erwartungen weitgehend eingepreist sind. Dass ausgerechnet Cook, der nicht für taktische Kurzfristwetten bekannt ist, in diesem Moment zugreift, wird als Signal mit Gewicht interpretiert.

Cook ist nicht nur Investor, sondern Teil des Machtzentrums
Der Kauf ist mehr als eine private Vermögensentscheidung. Tim Cook sitzt als Lead Independent Director im Board von Nike und ist seit Jahren eng mit dem Unternehmen verbunden. Seine Nähe zum Nike-Mitbegründer Phil Knight gilt als gut dokumentiert. Hinter den Kulissen spielte Cook eine wichtige Rolle bei der Berufung des neuen Vorstandschefs Elliott Hill.
Damit bekommt der Aktienkauf eine strategische Dimension. Cook setzt nicht auf ein abstraktes Turnaround-Narrativ, sondern auf eine Führung, die er selbst mitgeprägt hat.
Elliott Hill soll die operative Wende erzwingen
Hill steht vor einer heiklen Aufgabe. Unter seinem Vorgänger hatte Nike das Verhältnis zu Großhändlern vernachlässigt und sich stark auf Direktvertrieb und Lifestyle-Produkte konzentriert. Hill steuert gegen. Sein Programm trägt intern den Namen „Win Now“ und zielt darauf ab, verlorenes Vertrauen im Handel zurückzugewinnen und den Fokus wieder stärker auf Performance, Running und Innovation zu legen.
Cooks Kauf wird von Analysten als Vertrauensbeweis in genau diese Strategie gelesen. Es ist ein Votum für die Annahme, dass Nike weniger ein strukturelles Problem hat als ein operatives – und dass sich dieses beheben lässt.
Der größte Insider-Kauf seit über zehn Jahren
Der Umfang des Deals unterstreicht die Bedeutung. Es handelt sich um den größten Aktienkauf eines Nike-Direktors am offenen Markt seit mehr als einem Jahrzehnt. Cook bleibt damit nicht allein. Auch Board-Mitglied Robert Swan griff zu und erwarb in derselben Woche Aktien im Wert von rund 500.000 US-Dollar.
Solche Insiderkäufe sind selten zufällig. Sie senden eine Botschaft, die über Quartalszahlen hinausgeht: Das Board hält die aktuelle Bewertung für zu niedrig und die Risiken für beherrschbar.
Analysten bleiben trotz schwacher Zahlen optimistisch
Trotz der operativen Rückschläge ist der Analystenkonsens überraschend konstruktiv. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei rund 80 US-Dollar, was einem Aufwärtspotenzial von gut 30 Prozent entspricht. Von 29 Analysten empfehlen 20 den Kauf, neun raten zum Halten. Verkaufsempfehlungen gibt es keine.
Die Aktie selbst hat im laufenden Jahr rund 18 Prozent verloren und notiert weit unter früheren Höchstständen. Am Freitag jedoch legte sie an der NYSE um 1,55 Prozent auf 60,93 US-Dollar zu – auch getragen von der Nachricht über Cooks Engagement.
Ein Vertrauenssignal mit Langfristwirkung
Tim Cook wettet nicht auf eine schnelle Erholung. Sein Investment ist ein langfristiges Statement. Er setzt darauf, dass Marke, Produktkompetenz und operative Korrekturen stärker sind als Konjunktursorgen und regionale Schwächen.
Ob der Turnaround gelingt, ist offen. Doch wenn ein Manager, der für Disziplin und Vorsicht bekannt ist, ausgerechnet in einer Phase maximaler Skepsis zugreift, hören Märkte genau hin. Manchmal sagt ein Kauf mehr als jede Prognose.


