Zugriff am frühen Morgen
Ein massiver Polizeieinsatz im Berliner Stadtteil Neukölln sorgte am Dienstagmorgen für Aufsehen: Beamte des Bundeskriminalamts nahmen Anwar S., einen syrischen Staatsangehörigen, fest. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft war eine komplette Hundertschaft der Polizei im Einsatz.
Der Grund für den Großeinsatz: S. steht im Verdacht, Anführer einer regimetreuen Miliz in Aleppo gewesen zu sein, die ab 2011 brutal gegen Demonstranten vorging.
Schwere Vorwürfe: Folter und Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Die Liste der Vorwürfe ist lang – und schwerwiegend. Dem Syrer wird vorgeworfen:
- Mitglieder seiner Miliz prügelten mehrfach nach Freitagsgebeten auf Zivilisten ein, mit Schlagstöcken, Metallstangen und Elektroschockern.
- Demonstranten wurden festgenommen und an den syrischen Geheimdienst übergeben, wo sie in Haft gefoltert wurden.
- Bei einem Angriff vor einer Moschee im Stadtteil Saif Al Dawla wurde ein Demonstrant so schwer verletzt, dass er wenig später verstarb.
Der Generalbundesanwalt sieht darin den Verdacht von Tötung, Folter, Freiheitsberaubung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit bestätigt.
Vom Milizführer nach Deutschland
Nach Erkenntnissen der Ermittler soll Anwar S. bereits ab 2011 führende Rolle in Aleppo gespielt haben. Der Verdächtige lebte inzwischen in Deutschland und bewegte sich offenbar unbehelligt in Berliner Kreisen – bis zu seiner Festnahme am Dienstag in der Nähe eines einschlägig bekannten Shisha-Cafés.
Der nächste Schritt vor Gericht
Der Beschuldigte wird am 1. Oktober dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt. Dort wird entschieden, ob der Haftbefehl vollstreckt bleibt.
Juristisch handelt es sich um einen weiteren Fall, bei dem deutsche Ermittler das Prinzip der universellen Gerichtsbarkeit anwenden: Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit können auch dann in Deutschland verfolgt werden, wenn sie im Ausland begangen wurden.
Ein Signal aus Berlin
Die Festnahme ist nicht nur ein polizeilicher Erfolg, sondern auch ein politisches Signal. Deutschland zeigt damit, dass mutmaßliche Täter aus dem syrischen Bürgerkrieg nicht auf sichere Rückzugsräume hoffen können – auch nicht im Berliner Alltag.
Der Zugriff in Neukölln macht deutlich: Die Vergangenheit lässt sich nicht in einer Shisha-Bar verstecken.
